Neun Monate nach dem Brexit-Referendum reichte Großbritannien am heutigen Mittwoch die Scheidungspapiere in Brüssel ein. Damit ist der Weg für die zweijährigen Verhandlungen mit der Europäischen Union frei. Die britische Premierministerin TheresaMay habe die EU-Austrittserklärung bereits am Dienstagabend unterzeichnet. Die Briten hatten im vergangenen Juni in einem historischen Referendum mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt.

Mehrseitiges Schreiben

May gab Mittwoch mittag die Austrittserklärung im britischen Parlament ab. Etwa zur selben Zeit überreichte der britische Botschafter Tim Barrow in Brüssel das mehrseitige Schreiben an den Europäischen Rat.

Die übrigen 27 Länder haben bereits eine gemeinsame Stellungnahme angekündigt. Ihre Verhandlungsposition wollen sie allerdings erst bei einem Sondergipfel am 29. April festzurren.

Tusk teilte auf Twitter mit: "Nach neun Monaten hat Großbritannien geliefert." Auch die britische Premierministerin Theresa May bestätigte vor dem Parlament, dass die Regierung die offizielle EU-Austrittserklärung vorgelegt habe. May rief ihre Landsleute zum Zusammenhalt auf. Die Briten müssten zusammenstehen, "es gibt kein Zurück mehr", sagte May am Mittwoch im Parlament in London. Sie sprach sich für ein "kühnes und ambitioniertes" Handelsabkommen mit der EU aus. Anders als von der EU gewünscht plädierte sie für gleichzeitige Verhandlungen auch über die künftigen Beziehungen nach dem Austritt.

Tusk erklärte danach, die EU sei heute noch geeinter als zuvor. "Aber es gibt keine Gewinner". Die meisten Europäer und fast die Hälfte der britischen Wähler hätten den Wunsch geäußert, zusammenzubleiben und sich nicht zu trennen. "Aber gut, es gibt paradoxerweise auch beim Brexit etwas durchaus Positives zu vermelden. Die Gemeinschaft der 27 ist dadurch entschlossener und auch vereinter. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich".

Tusk will den 27 EU-Staaten am Freitag einen Entwurf für die Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen vorlegen. Die Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen sollen bei einem Sondergipfel am 29. April in Brüssel angenommen werden. 

Harter Brexit

Klar ist aber, dass May einen harten Brexit will: Großbritannien wird demnach auch aus dem Europäischen Binnenmarkt und der Zollunion aussteigen. Die Briten wollen sich auch nicht mehr der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg unterwerfen.

Zu den wichtigsten Themen gehören die Rechte der etwa drei Millionen EU-Ausländer in Großbritannien. Etwa eine Million Briten leben in anderen EU-Ländern.

Auch die neue EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland ist ein Topthema. Sie könnte dem Handel auf der Insel schaden und alte Wunden in der Ex-Bürgerkriegsregion aufreißen.

Kurz: "EU ist am Wendepunkt"

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat anlässlich des Einreichens des EU-Austrittsantrags Großbritanniens einen "Kurswechsel" gefordert. "Durch den Brexit ist die Europäische Union an einem Wendepunkt angelangt", erklärte Kurz am Mittwoch in einer Aussendung.

Die EU müsse in "großen Fragen, wie zum Beispiel der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, stärker werden". Gleichzeitig forderte Kurz von Brüssel, sich in den "kleinen Fragen, die die Mitgliedstaaten oder Regionen selbst besser regeln können", wieder zurückzunehmen.

Übergang zur Partnerschaft

Im Hinblick auf die anstehenden Brexit-Verhandlungen betonte auch der Außenminister, den rechtlichen Status der rund 25.000 Auslandsösterreicher in Großbritannien "schnellstmöglich" zu klären. Auch werde Österreich, das im zweiten Halbjahr 2018 die EU-Ratspräsidentschaft und damit womöglich zum Zeitpunkt der Abschlussverhandlungen, "daran mitwirken, dass der Übergang von der Mitgliedschaft zur Partnerschaft für beide Seiten gelingt".

Die durch den Wegfall der britischen Nettobeiträge entstehenden Ausfälle in Milliardenhöhe müssten nach Ansicht Kurz' durch "Einsparungen und Reformen" und nicht durch die Erhöhung andere Beiträge kompensiert werden. Der Außenminister stellt auch eine "Verschlankung der EU" in den Raum.