Im Pariser Prozess gegen den früheren internationalen Terroristen "Carlos" um einen Anschlag vor 42 Jahren hat am Dienstag (9.30 Uhr) der Angeklagte das letzte Wort. Anschließend zieht das Gericht sich zur Beratung zurück, das Urteil könnte noch am gleichen Tag verkündet werden.

Dem als "Carlos" bekannten Venezolaner Ilich Ramirez Sanchez wird eine Handgranaten-Attacke in einer Pariser Einkaufsgalerie zur Last gelegt, bei der 1974 zwei Menschen starben. Nur einer der vielen Anschläge des einst meistgesuchten Mannes der Welt.

Nach dem Wiener OPEC-Überfall im Dezember 1975 reichten sich Innenminister Otto Rösch und der unter den Decknamen "Carlos" bekannte Anführer der Terroristen auf dem Flugfeld in Schwechat die Hände. Rösch wurde dafür oft kritisiert. Der aus Venezuela stammende Top-Terrorist "Carlos", der in den 1970er und 1980er Jahren im Westen als Staatsfeind Nummer Eins galt, sitzt seit 1994 in Paris im Gefängnis. "Danke verbindlichst für die reibungslose Abfertigung", kommentiert die deutsche Tageszeitung "Die Welt" nicht ohne Hohn die Szene mit dem Handschlag zwischen dem "Schakal" genannten Terroristen und dem österreichischen Innenminister vor über 40 Jahren in Schwechat. Der verstorbene SPÖ-Politiker und spätere Verteidigungsminister erinnerte sich, dass Carlos auf ihn zugegangen sei und sich für den Anschlag "entschuldigt" habe. Es sei nicht "gegen Österreich" gegangen, sondern eine "innerarabische Angelegenheit".

Verantwortlich für den Tod von 83 Menschen

In den 1970er und 1980er Jahren war "Carlos" einer der meistgesuchten Terroristen der Welt. Ilich Ramirez Sanchez - so sein bürgerlicher Name - hielt Europa und den Nahen Osten mit zahllosen Anschlägen in Atem. Der Tod von 83 Menschen soll auf das Konto des Terroristen gegangen sein, dessen Markenzeichen auf zeitgenössischen Fahndungsfotos auch eine gewagte Sonnenbrille war.

Ilich Ramirez Sanchez und seine gewagte Sonnenbrille
Ilich Ramirez Sanchez und seine gewagte Sonnenbrille © STR/EPA/picturedesk.com

Nach Jahren der Flucht stöberte der französische Geheimdienst DST ihn 1994 im Sudan auf und entführte ihn. Seitdem ist er in Frankreich inhaftiert. 1997 und 2011 wurde er in Paris jeweils zu lebenslanger Haft verurteilt, die der heute 66-Jährige in der französischen Hauptstadt verbüßt. Ein österreichischer Auslieferungsantrag war seinerzeit abgelehnt worden. 2001 heiratete er seine französische Anwältin.

In einem Buch rechtfertigte er später seine Taten als Mittel des Klassenkampfs. "Carlos" startete seine Terrorkarriere in einem Trainingslager der marxistischen "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) in Jordanien. 1974 griff ein "Carlos"-Kommando ein jüdisches Cafe in Paris an: zwei Tote. Ein Jahr später nahm die "Carlos"-Bande ein israelisches Flugzeug in Paris-Orly unter Beschuss und tötete zwei französische Geheimagenten. In Deutschland wurden "Carlos"-Anhänger für den Anschlag auf das Berliner Kulturzentrum "Maison de France" im Jahr 1983 verantwortlich gemacht.

Spektakulärer Anschlag in Wien

Das spektakulärste Attentat war aber der Überfall auf die Konferenz der OPEC-Ölminister im Dezember 1975 in Wien, bei dem drei Personen getötet wurden. Bei einem Schusswechsel starben ein österreichischer Kriminalbeamter, ein irakischer Sicherheitsmann und der libysche Delegierte Yusuf al-Azmarly. Der deutsche Linksterrorist Hans-Joachim Klein wurde angeschossen. Auch ein Wiener Polizist wurde verletzt.

Die Terroristen nahmen etwa 70 Geiseln, darunter elf Ölminister der OPEC-Länder, und erzwangen die Verlesung einer antiisraelischen Erklärung im Rundfunk. Mit der Hälfte der Geiseln flogen sie aus Wien ab, später wurden alle freigelassen. Die Terroristen reisten nach Libyen, in das Land ihres mutmaßlichen Auftraggebers Oberst Muammar Gaddafi.

Carlos konvertierte zum Islam

Als Terrorist sah sich der Venezolaner nie - vielmehr als Freiheitskämpfer und Berufsrevolutionär. In den vergangenen Jahren wurde es ruhig um Carlos. Seit 21 Jahren sitzt er in Frankreich in einem Hochsicherheitsgefängnis. In Haft konvertierte der Venezolaner zum Islam und stand in einem Briefwechsel mit dem verstobenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez. Dieser bewunderte "Carlos" als wichtigen Revolutionär und einen der stärksten Kämpfer für die palästinensische Sache.

Auch Carlos selbst sah sich auch nie als Terrorist, sondern als Freiheitskämpfer: "Wie Lenin. Wie Stalin. Wie Trotzki. Das sind professionelle Revolutionäre", erklärte er 2010 in einem Interview. Auch Osama Bin Laden schätzt er als "großen Revolutionär" und "ehrbaren Mann".

Carlos und seine Anwältin und Ehefrau
Carlos und seine Anwältin und Ehefrau © AP

2010 kam Ilich Ramirez Sanchez erneut durch die Verfilmung seiner Biografie in die Schlagzeilen. Der von Olivier Assayas gedrehte Streifen "Carlos - Der Schakal" lief bei den Filmfestspielen in Cannes 2010 außer Konkurrenz. "Carlos" wurde von Edgar Ramirez verkörpert. Der Protagonist selbst war mit dem Werk nicht zufrieden. Es enthalte "Fälschungen" und "Lügen" und zeichne ein völlig falsches Bild von ihm, erklärte er.

Ein drittes Mal lebenslänglich

Die Staatsanwaltschaft forderte am Montag eine weitere lebenslange Freiheitsstrafe. Die Verteidigung pochte dagegen auf einen Freispruch: Sie sieht keine Beweise dafür, dass "Carlos" der Täter ist, und beklagte einen "politischen Prozess". Die Anwälte kritisierten, dass Zeugen über die Jahrzehnte hinweg ihre Aussagen verändert hatten, und vermuten eine Beeinflussung durch die intensive Berichterstattung über "Carlos" und Filme über ihn.