"Europa findet wieder Hoffnung in der Solidarität, die auch das wirksamste Heilmittel gegen die modernen Formen des Populismus ist", sagte der Papst am Freitag bei der Audienz der EU-Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), im Vatikan.

Dabei erinnerte der Papst auch an die Opfer des Terroranschlags in London. "Die Solidarität ist nicht nur ein guter Vorsatz: Sie ist gekennzeichnet durch konkrete Taten und Handlungen, die einem den Mitmenschen näher bringen unabhängig von seiner momentanen Lage", sagte der Papst. "Die Formen des Populismus hingegen sind eben Blüten des Egoismus, der in einen engen und erdrückenden Kreis einschließt und nicht zulässt, die Enge der eigenen Gedanken zu überwinden und darüber hinaus zu sehen."

"Wieder europäisch denken"

Der Papst forderte die Politiker auf, "wieder europäisch zu denken, um die gegensätzliche Gefahr einer grauen Uniformität oder des Triumphs der Partikularismen abzuwehren". Diese Führungsrolle der Ideen sei Sache der Politik. "Diese soll vermeiden, Emotionen auszunutzen, um Zustimmung zu gewinnen, sondern vielmehr im Geist der Solidarität und Subsidiarität politische Handlungsweisen erarbeiten, welche die gesamte Union in einer harmonischen Entwicklung wachsen lassen."

Das Kirchenoberhaupt warnte auch vor falschen Sicherheiten und erinnerte an die zahlreichen Migranten, die an den Küsten der EU landen. "Man kann sich nicht darauf beschränken, die schwerwiegende Flüchtlingskrise dieser Jahre so zu bewältigen, als sei sie nur ein zahlenmäßiges, wirtschaftliches oder ein die Sicherheit betreffendes Problem." Die Migrationsproblematik stelle eine tiefere Frage, die vor allem kultureller Natur sei. "Die Angst, die man häufig wahrnimmt, findet nämlich ihren tieferen Grund im Verlust der Ideale.

Einzigartig auf der Welt

Europa habe ein ideelles und geistiges Erbe, das einzigartig sei auf der Welt, betonte der Papst. Dieses stelle "das beste Heilmittel gegen das Vakuum an Werten unserer Zeit dar, jenen fruchtbaren Boden für Extremisten aller Art".

Europa finde wieder Hoffnung, "wenn der Mensch die Mitte und das Herz seiner Institutionen ist", sagte der Papst. Dies bedeute auch, den Familiengeist wiederzufinden. Europa sei eine Völkerfamilie, in der es unterschiedliche Sensibilitäten gebe, "aber alle in dem Maße wachsen können, wie sie geeint sind". So müsse die Europäische Union wieder den Sinn dafür entdecken, Gemeinschaft von Menschen und Völkern zu sein, die sich bewusst sei, dass das Ganze mehr als ein Teil oder ihre einfache Summe sei.

"Erinnerungsvakuum"

Die heutige Zeit sei von einem "Erinnerungsvakuum" gekennzeichnet, in der man die große Errungenschaft vergesse, dass die europäische Integration die längste Friedensära der letzten Jahrhunderte sei, erinnerte das Kirchenoberhaupt. Der Friede sei "ein kostbares und wesentliches Gut, da man ohne ihn nicht in der Lage ist, für jemanden eine Zukunft aufzubauen".

Unsere Zeit werde von Krisen beherrscht, sagte der Papst. Dabei seien Krisen an und für sich nichts Negatives. Unsere Zeit sei "eine Zeit der Entscheidung, die dazu einlädt, das Wesentliche zu prüfen und darauf aufzubauen".

Die EU feiert am morgigen Samstag in Rom den 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge, dem Gründungsakt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften, der Vorgängerin der heutigen Europäischen Union.