Heute ist es genau ein Jahr her, dass sich die EU mit der Türkei auf den viel zitierten "Flüchtlingsdeal" geeinigt hat. Der am 18. März 2016 geschlossene Flüchtlingspakt sieht vor, dass die Türkei alle Flüchtlinge zurücknimmt, die auf die griechischen Ägäis-Inseln kommen. Im Gegenzug versprach die EU Unterstützung bei der Versorgung der knapp drei Millionen Flüchtlinge in der Türkei sowie die Aufnahme eines syrischen Flüchtlings für jeden Syrer, der im Rahmen der Vereinbarung in die Türkei zurückgeschickt wird. Zudem wurden Zahlungen von drei Milliarden Euro an die Türkei vereinbart. Und damals waren alle zufrieden mit dem Abkommen: Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel gab sich zuversichtlich: "Europa schafft das", sagte sie. Der wenige Monate später abgesägte Werner Faymann zeigte sich ebenfalls zufrieden - zudem betonte Österreichs Ex-Kanzler damals, dass "es keinen Abtausch Visa gegen Flüchtlinge gibt". Selbst der türkische Außenminister Davutoglu frohlockte am Tag der Unterzeichnung: "Dies ist ein historischer Tag".

Von dieser Euphorie ist ein Jahr später wenig übrig. Im Streit mit Deutschland und den Niederlanden hat der türkische Innenminister Süleyman Söylu gedroht, tausende Flüchtlinge in die EU zu schicken. "Wenn ihr wollt, schicken wir euch die 15.000 Flüchtlinge, die wir jeden Monat zurückhalten", sagte Söylu am Donnerstagabend. Die Bundesregierung erklärte, es gebe "keine Anhaltspunkte" für eine Aussetzung des Flüchtlingspakts durch die Türkei.

Die deutsche Bundesregierung zeigte sich am Freitag unbeeindruckt von den türkischen Drohungen, den Flüchtlingspakt aufzukündigen. "Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass die Türkei dieses Abkommen ausgesetzt hat", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Die Vereinbarung sei ein "gemeinsamer Erfolg", deren Umsetzung "im Interesse aller Beteiligten" liege.

Schließung der Balkanroute wichtiger?

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere machte indes klar, dass er nicht um das Abkommen betteln werde. Es gebe darüber viele Äußerungen von der türkischen Seite, sagte der CDU-Politiker am Freitag bei einem Treffen mit seinen Unionskollegen aus den Ländern im saarländischen St. Wendel. "Auch da wird versucht, dass wir da in irgendeiner Weise um dieses Abkommen betteln und all das. Das wird nicht geschehen", betonte de Maiziere. Die EU halte sich an das Abkommen und erwarte, dass dies auch die Türkei tun werde.

Die Türkei droht seit Monaten immer wieder damit, den Flüchtlingspakt mit der EU aufzukündigen. Zuletzt hatte Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Mittwochabend im Streit um türkische Wahlkampfauftritte in den Niederlanden und Deutschland mit der Annullierung der Vereinbarung gedroht und erklärt, die Rücknahme von Flüchtlingen von den griechischen Inseln sei ausgesetzt. Ob eine Aufkündigung des Flüchtlingspaktes durch die Türkei wieder zu steigenden Migrantenzahlen führen würde, gilt als unsicher. Viele Experten und auch Politiker sind der Meinung, dass vor allem das Schließen der sogenannten Balkanroute in Richtung Westeuropa zum Rückgang der Zahlen führte. Die Abriegelung sorgt bis heute dafür, dass es nur noch wenige Migranten schaffen, von Griechenland weiter in ihre Zielländer in Westeuropa zu kommen.