Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) verurteilt die Untersuchungshaft für Deniz Yücel, den Korrespondenten der deutschen Tageszeitung "Die Welt". VÖZ-Präsident Thomas Kralinger sprach am Dienstag von einem "neuen und nicht mehr tolerablen Tiefpunkt für die türkische Pressefreiheit". Yüzel habe seinen Job als Journalist gemacht, "nichts Anderes".

In den vergangenen Jahren habe sich die Arbeitssituation der Journalisten in der Türkei ständig verschlechtert, so Kralinger in einer Aussendung. "Der Respekt vor der Freiheit der Presse ist das Rückgrat einer lebendigen Demokratie. Österreichs Verleger fordern die sofortige Freilassung Yücels und eine Beendigung der unerträglichen Verfolgung und Verhaftung kritischer Journalisten in der Türkei".

Recht auf Meinungsäußerung

Die Presse- und Meinungsfreiheit sei Teil der türkischen Verfassung und zudem habe die Türkei die UN-Menschenrechtskonvention unterzeichnet, "die eine staatliche Zensur verbietet und auch das Recht jedes Menschen auf freie Meinungsäußerung einschließlich des Rechts, seine Meinung zu verbreiten und die Meinungen anderer zu hören, garantiert".

VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger kommentiert die Situation in der Türkei ebenso kritisch: "Mit jeder Welle an Journalistenverhaftungen und Medienschließungen fügt Präsident Erdogan der türkischen Gesellschaft einen dauerhaften Schaden zu. Yücels Verhaftung ist mit den Werten der Presse- und Meinungsfreiheit unvereinbar."

An vielen Orten wird zur Teilnahme an Solidaritätsmärschen für Yücel aufgerufen, so auch in Wien:

Und in Graz:

Die deutsche Regierung, Parteien und Journalistenverbänden reagierten mit Unverständnis und Empörung auf die in der Türkei verhängte Untersuchungshaft gegen den "Welt"-Korrespondenten.

Der Journalist war am Montag nach 13 Tagen im Polizeigewahrsam in Untersuchungshaft genommen worden. Diese kann fünf Jahre dauern, bis es zur Freilassung oder zu einem Prozess kommt, in dem die Schuldfrage geklärt wird. Yücel hatte sich am 14. Februar bei der Polizei in Istanbul gemeldet, weil nach ihm gefahndet worden war. Er wurde festgenommen.

Dem 43-jährigen Korrespondenten werden der "Welt" zufolge "Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung" vorgeworfen. Yücel besitzt die deutsche und türkische Staatsbürgerschaft. Aus Sicht der türkischen Behörden ist er damit ein einheimischer und kein ausländischer Journalist.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Anordnung der Haft "bitter und enttäuschend". Die Regierung hoffe, dass Yücel schnell frei komme. "Diese Maßnahme ist unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat", erklärte Merkel. Die Berliner Bundesregierung erwarte, dass die türkische Justiz im Fall Yücel "den hohen Wert der Pressefreiheit für jede demokratische Gesellschaft" berücksichtige.

Auch Kritiker in Reihen der türkischen Regierungspartei

Die Untersuchungshaft für den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel in Istanbul ist auch in der türkischen Regierungspartei AKP auf Kritik gestoßen. Er sehe "die Gerichtsentscheidung kritisch", sagte der deutsch-türkische Abgeordnete und Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Parlament, Mustafa Yeneroglu, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul.

"Ohne Einzelheiten zu kennen und soweit ich den Berichten entnehmen kann, denke ich, dass der Propagandabegriff zu weit ausgelegt worden ist." Der Politiker der islamisch-konservativen AKP warf Yücel zugleich vor, "mehr Aktivist als Journalist" zu sein. "Seine Berichte über die Türkei sind meistens von tiefen persönlichen Ressentiments geprägt, entsprechend auch extrem verzerrt, er fokussiert und überspitzt, wo es seinem Bild passt und blendet aus, wo es dem eigenen Weltbild nicht entspricht".

Yeneroglu sagte zur Kritik an dem Beschluss aus Deutschland: "Kritik ist willkommen, solange sie sachlich ist, nicht verallgemeinert und im konkreten Beispiel nicht verkennt, dass die Haftentscheidung die eines unabhängigen Gerichts ist und nicht der türkischen Regierung."

Für Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner gehört das Vorgehen der türkischen Justiz gegen Yücel zu einem "Mechanismus der Einschüchterung" in autokratischen Systemen. "Seine Behandlung als Verbrecher ist ein Signal: so kann es jedem gehen, der sich solche Freiheiten nimmt", schrieb der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger in einem am Dienstag auf welt.de veröffentlichten Beitrag.

"Teil eines Systems"

"Sein Fall ist kein Einzelfall, er ist Teil eines Systems, von neuer Qualität ist er nur deshalb, weil hier der Korrespondent einer nichttürkischen Zeitung betroffen ist", schrieb Döpfner, der sich für die Solidarität nach der Festnahme des Korrespondenten bedankte: "Denn dieser Zusammenhalt weit über die Grenzen üblicher ideologisch-politischer Verortung und Gegnerschaft hinweg ist nicht nur ein sehr schönes Signal von Menschlichkeit und Empathie, er ist vor allem richtig und klug", schrieb Döpfner. "Weil er denen, die einschüchtern wollen, unschüchtern begegnet."

Yücel werden nach Angaben seines Verlags "Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung" vorgeworfen. Ein Haftrichter in Istanbul hatte am Montag angeordnet, den Journalisten auf unbestimmte Zeit in Untersuchungshaft zu nehmen.

VP-Amon "erschüttert"

In Österreich zeigte sich ÖVP-Generalsekretär und Mediensprecher Werner Amon "erschüttert" über die Entscheidung der türkischen Justiz, Untersuchungshaft Yücel zu verhängen: "Kritische und unabhängige Berichterstattung ist eine wichtige und notwendige Säule der Demokratie. Die Verfolgung und Verhaftung von kritischen Journalisten ist nicht mit meinem Verständnis von Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und letztlich auch Rechtsstaatlichkeit vereinbar. Dieses harte Vorgehen der türkischen Justiz ist auf das Schärfste zu verurteilen."

Auch Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, der sich erneut mit dem türkischen Regime angelegt hat, hofft auf eine baldige Freilassung des Journalisten Yüzel.

Amon nannte die Verhaftung von Deniz Yücel in einer Aussendung "unverständlich, inakzeptabel und unverhältnismäßig" und verwies auf die Tatsache, dass sich Yücel den Behörden freiwillig gestellt und sich bei den Ermittlungen kooperativ gezeigt hatte. "Ich hoffe, dass die türkische Justiz Einsehen erlangt und Yücel so bald wie möglich wieder freilässt", so Amon abschließend.