Die Migrationskrise hat die Schlepperei zum am schnellsten wachsenden kriminellen Segment in Europa gemacht. Das "Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Schlepperei" (EMSC) von Europol hat nach dem ersten Jahr seines Bestehens Bilanz gezogen. Unter anderem wurden demnach 17.400 Schlepper identifiziert. "Mehr als 90 Prozent der Migranten, die nach Europa kommen, haben die Dienste von Schlepper-Netzwerken beansprucht", stellte Europol-Direktor Rob Wainwright fest.

Diese würden mit der Migrationskrise Massenprofite machen und die Schlepperei so zum schnellstwachsenden kriminellen Segment, hieß es in dem veröffentlichten Report. Die Top Ten-Nationalitäten der Schlepper sind Türken, Syrern, Rumänen, Bulgaren, Ägyptern, Irakern, Ukrainer, Polen, Briten und Senegalesen. "Fast alle Gruppen sind multinational", resümierte EMSC-Leiter Robert Crepinko im Jänner dieses Jahres.

Schlepper füllen ihre Boote bis weit über die Belastbarkeit
Schlepper füllen ihre Boote bis weit über die Belastbarkeit © (c) AP (Santi Palacios)

45 EMSC-Spezialisten haben über 2.000 internationale Ermittlungen eingebracht, ein Viertel davon hatte mit Dokumentenfälschungen zu tun. Auch die Liste der für Menschenschmuggel verdächtigen Schiffe ist auf über 500 angewachsen. Dabei verwenden die Schlepper auch seeuntaugliche Schiffe oder setzen auf ausgemusterte Fischerboote. Für die Reise am Landweg werden speziell adaptierte Lkw verwendet, inzwischen werden aber ebenso vermehrt Züge - auch Frachtzüge - oder Flugzeuge benutzt.

Die EMSC-Experten sind auch im Web tätig, nachdem die kriminellen Netzwerke ihre Aktivitäten über Social Media-Plattformen in die Wege leiten. Die Ermittlungen in diesem Segment war einer der Schwerpunkte der im Februar 2016 begonnen Arbeit der Spezialisten-Gruppe. Es wurden insgesamt über 1.150 Accounts identifiziert, über die Migranten rekrutiert werden - 2015 waren es noch 148 gewesen.

Die EMSC-Erkenntnisse aus dem vergangenen Jahr zeigten auch auf, wie sich die Aktivitäten der organisierten Kriminalität auf die immer restriktiveren Grenzschutzmaßnahmen der Behörden in den Transit- und Zielländern angepasst haben: So zeigte sich im Laufe des Jahres 2016 an den beiden Hauptkorridoren, der östlichen und der zentralen Mittelmeerroute, eine signifikante Schmuggelaktivität.

Der EMSC-Report zeigt auf, dass innerhalb der kriminellen Netzwerke drei Arten von Personen tätig sind. Zum einem die Führungskräfte, die die Aktivitäten auf den Schmuggelrouten strategisch koordinieren, die Organisatoren, welche die Aktivitäten vor Ort mit ihren persönlichen Kontakte verwalten, und zu guter Letzt auf niederem Level agierende Vermittler, die in den Herkunftsländern über die sozialen Netzwerke ihre "Kunden" suchen. Neuer Erkenntnisse ergaben zudem, dass terroristische Gruppen ebenfalls die Schmuggelnetze für die Einreise in die EU in Anspruch genommen haben, was aber nicht den Schluss zulasse, dass die Schlepperorganisationen gemeinsame Sache mit den Terroristen machen würden, heißt es im Report.