Der Personenzug war am Samstagabend auf Anordnung des serbischen Ministerpräsidenten Aleksandar Vucic unweit der Grenze zum Kosovo gestoppt worden, nachdem klar geworden war, dass die Weiterfahrt von der kosovarischen Grenzpolizei und einer Eliteeinheit am Grenzübergang Donje Jarinje verhindert werden würde. In Prishtina war die einseitige Aufnahme des Zugverkehrs als Provokation empfunden worden - umso mehr, weil die Außenseite des Zuges mit der Aufschrift "Kosovo ist Serbien" in verschiedenen Sprachen versehen war.

Der Kosovo war eine Provinz Serbiens. Im Jahr 2008 erklärte der Kosovo nach fast zehn Jahren unter UNO-Verwaltung seine Unabhängigkeit. Davor war es beim Zerfall Jugoslawiens 1998/99 zum Krieg gekommen, in den die NATO aufseiten der Kosovo-Albaner gegen das Belgrader Milosevic-Regime eingriff. 90 Prozent der Kosovaren sind ethnische Albaner, der Norden wird aber von Serben dominiert.

Mehr als 100 Staaten haben den Kosovo anerkannt. Serbien will die Unabhängigkeit aber nicht anerkennen; laut der serbischen Verfassung ist der Kosovo ein Bestandteil Serbiens. Nichtsdestotrotz führen beide Seiten seit Jahren unter Vermittlung der EU einen Normalisierungsdialog. Vieles, was vereinbart wurde, wurde bisher aber nicht umgesetzt.

Mit Einsatz der Armee gedroht

Nikolic drohte am Sonntag mit dem Einsatz der Armee. "Wir werden die Armee schicken, um die Serben vor ihrer potenziellen Ermordung zu schützen", sagte Staatspräsident Tomislav Nikolic nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates: "Wenn Serben umgebracht werden, werden wir die Armee schicken." Jede Aktion, die nicht im Einklang mit der Verfassung Serbiens sei, werde "schlecht enden".

Vucic beschuldige die kosovarischen Behörden "Kriegsspiele" zu betreiben: "Wir haben einen Zug und keinen Panzer geschickt." Die Spezialeinheit der kosovarischen Polizei sei mit Gewehren und gepanzerten Fahrzeugen angerückt. Serben aus der Region hatten die Polizisten eingekreist. Um Blutvergießen zu vermeiden, habe er die Rückkehr des Zuges nach Belgrad angeordnet, sagte Vucic. "Das ist meine letzte Warnung an die Albaner, keinen Angriff auf Serben im Kosovo zu versuchen", sagte der in Serbien alles bestimmende Politiker: "Denn das wird Serbien nicht erlauben."

Auch soll es nach seinen Angaben Stunden zuvor sogar einen Versuch kosovarischer Behörden gegeben haben, die Eisenbahnstrecke im Nord-Kosovo zu verminen, um die Weiterfahrt des Zuges zu verhindern. Die kosovarische Polizei hatte am Samstagnachmittag tatsächlich die Strecke zwischen dem Grenzübergang Donje Jarinje und Nord-Mitrovica auf eventuellen Sprengstoff geprüft. Dazu war es nach dem Auftauchen eines Videos gekommen, in dem die Anbringung von Sprengstoff angedeutet wurde. Gefunden wurde aber nichts.

EU soll vermitteln

Belgrad rief am Sonntag die Europäische Union auf, als Vermittlerin die "Bewegungsfreiheit nun zum einzigen Thema" des Normalisierungsdialogs zu machen. Die Aufforderung erfolgte nach einer Sondersitzung des serbischen Rates für Nationale Sicherheit.

Die Aufnahme des Zugverkehrs zwischen Belgrad und Nord-Mitrovica war von der serbischen Behörden nicht mit Prishtina akkordiert worden. Belgrad behauptet, dass der Personenzug eigentlich "Menschen und Städte im Einklang mit den Gesetzen aller Staaten und den EU-Werten" verbinden sollte. Der Zug war von Russland gekauft worden, das Serbien dabei unterstützt, die Aufnahme des Kosvo in die UNO und andere internationale Organisationen zu torpedieren.

Zwischen der zentralserbischen Stadt Kraljevo und Nord-Mitrovica verkehrt problemlos schon seit Jahren ein ganz normaler Personenzug ohne "nationalistische Aufkleber", wie es vom kosovarischen Präsidenten Hashim Thaci beschrieben wurde.

Die versuchte Aufnahme des direkten Zugverkehrs erfolgte nach dem großen Unmut, den vor Tagen die Entscheidung eines französischen Gerichtes in Belgrad ausgelöst hatte, den auf Basis eines serbischen Haftbefehls am 4. Jänner in Frankreich festgenommenen kosovarischen Politiker Ramush Haradinaj vorläufig wieder freizulassen. Belgrad wirft Haradinaj Kriegsverbrechen vor und behauptet, Beweise für die Verbrechen gesammelt zu haben, die von der Anklage des UNO-Jugoslawientribunals vor Jahren nicht erfasst worden seien. Vor dem Haager Gericht war Haradinaj zweimal freigesprochen worden.