Die langjährige CDU-Politikerin Erika Steinbach hat ihre Partei mit einem Paukenschlag verlassen. Ihre Austrittserklärung acht Monate vor der Bundestagswahl verband die Abgeordnete am Samstag mit scharfer Kritik an der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mit einem Lob für die rechtspopulistische AfD.

Ihrer Entscheidung zum Austritt sei ein längerer Entfremdungsprozess vorangegangen, sagte Steinbach der "Welt am Sonntag". Heutzutage würde sie nicht mehr in die CDU eintreten oder sie wählen. Sie fügte hinzu: "Daraus kann ich nur die ehrliche Schlussfolgerung ziehen, die CDU zu verlassen."

Steinbach warf Merkel in dem Interview vor, mit der Grenzöffnung für Flüchtlinge im Herbst 2015 gegen geltendes Recht verstoßen zu haben: Dass monatelang Menschen "unidentifiziert mit Bussen und Zügen über die Grenze geschafft" worden seien, sei eine "gewollte Maßnahme entgegen unserer gesetzlichen Regelungen und entgegen EU-Verträgen", sagte die bisherige Sprecherin für Menschenrechte der Unionsfraktion.

"Mit den Migranten kamen nicht nur Schutzsuchende ins Land, sondern, wie viele von Anbeginn an gewarnt haben, auch Terroristen," sagte Steinbach, die früher dem Bund der Vertriebenen vorstand. Die Sicherheitslage habe sich seit der Grenzöffnung "signifikant verschlechtert."

Der CDU warf Steinbach vor, sich einem linken Zeitgeist angepasst zu haben. Deshalb sei eine neue Partei entstanden: "Die AfD greift heute Themen auf, die in den vergangenen Jahren defizitär geworden sind", sagte Steinbach. Die AfD sei "auch Fleisch vom Fleisch der CDU".

In die AfD wolle sie allerdings vorerst nicht eintreten. Doch hoffe sie, dass die rechtspopulistische Partei in den Bundestag einziehe, "damit es dort endlich wieder eine Opposition gibt". Nur so bleibe die Demokratie "lebendig", fügte Steinbach hinzu.

Der Generalsekretär der hessischen CDU, Manfred Pentz, zeigte sich nicht überrascht von Steinbachs Entscheidung. "Ihr Schritt war jedoch leider absehbar, jetzt haben sich die Verhältnisse geklärt", erklärte er. Die Vorwürfe, die Steinbach erhebt, bezeichnete Pentz als "haltlos und maßlos". Es wäre "konsequent, wenn sie nun auch ihr Bundestagsmandat niederlegt, das sie über die CDU geholt und der Partei zu verdanken hat".

Die CSU schlug einen anderen Ton an. "Aus der CSU wäre Steinbach nicht ausgetreten, da bin ich mir ganz sicher", erklärte der CSU-Bundestagsabgeordnete Bernd Fabritius, der auch Steinbachs Nachfolger an der Spitze des Vertriebenenverbands ist. Die CSU verfolgt eine deutlich restriktivere Flüchtlingspolitik als Merkel.

Die SPD bezeichnete Steinbachs Rückzug hingegen als "überfällig". Der Menschenrechtsexperte der SPD-Fraktion, Frank Schwabe, bescheinigte Steinbach eine "zynische Sicht auf geschundene Menschen". Ihr Rückzug sei deshalb "ein Segen".

Die AfD lobte Steinbachs Entscheidung als folgerichtig. AfD-Vizechef Alexander Gauland kündigte gegenüber der "Welt am Sonntag" an, er werde mit ihr "in der nächsten Zeit sicherlich telefonieren und auch über ihre weiteren politischen Pläne sprechen". Er werde Steinbach aber "nicht bedrängen, in die AfD einzutreten", sagte Gauland, der früher selbst in der CDU war.

Steinbach war der CDU 1974 beigetreten, seit 2000 saß sie im Parteivorstand. Mitglied des Bundestags ist sie seit 1990.