1. Der Fehler begann im Jahr 2005 – nicht 2015
Europa überließ die Sicherung seiner Außengrenzen den Staaten alleine. Damals zog der afrikanische Flüchtlingsstrom über die Straße von Gibraltar noch nach Spanien. Mit der Niederschlagung des arabischen Frühlings in den Ländern Nordafrikas und dem Bürgerkrieg in Syrien verlagerte sich der Flüchtlingsstrom in Richtung der griechischen Inseln. Die EU schaute dennoch zu lange zu.

2. Man vergaß auf die Solidarität unter den Ländern
Spanien, Portugal und später Griechenland mussten nicht nur einen Großteil der Menschen, die nach Europa kamen erstversorgen, sie mussten auch die Kosten dafür tragen.

3. Warnungen wurden ignoriert
Selten aber einmal doch konnte Ungarns Ministerpräsident Victor Orban mit einem vernünftigen Argument aufwarten: „Frontex hat gute Berechnungen und Analysen, auch wenn sie wahrscheinlich niemand liest“, sagte er im Sommer vergangenen Jahres in der Presse.
Tatsächlich wurden die Hinweise auf zunehmende Flüchtlingsströme – etwa aus den überfüllten Lagern im Libanon – zu lange ignoriert.

4. Man sparte am falschen Fleck
Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen, dass 2011 nur 0,27 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungshilfe ausgegeben wurden. Das UNO-Ziel liegt bei 0,7 Prozent. 2013 wurde wieder mehr Geld für Entwicklungshilfe ausgegeben, in den folgenden Jahren blieb die Summe aber konstant.

Ausgaben für Entwicklungshilfe
Ausgaben für Entwicklungshilfe © APA


Problematisch: Laut einer Statistik, die der Guardian veröffentlichte, kommen von 100 Euro, die Österreich in den Topf der Entwicklungshilfe einzahlt, nur 40 Euro in Hilfsprojekten an. Der Rest versickert in der Verwaltung.

Man kann ohne Polemik sagen: Gemessen an seinem Reichtum ist Österreich einfach geizig – und zahlt schon jetzt einen hohen Preis.

5. Man lässt den Rechtsstaat an seine Grenzen stoßen
Der Fall des mutmaßlichen Attentäters von Berlin zeigt: Es ist sehr leicht, den Rechtsstaat mit seinen Regeln an der Nase herumzuführen. Mangels gültiger Papiere konnte Anis Amri aus Italien nach seiner Haft nicht nach Tunesien nicht abgeschoben werden. In Deutschland verwendete er verschiedene Namen und Staatsbürgerschaftsnachweise. Hier werden sich die Europäischen Parlamente Gedanken machen müssen: Wie geht ein Rechtsstaat mit Menschen um, die auf das Recht pfeifen?

6. Man lässt Schläfer unbeobachtet schlafen
Die Gedanken sind frei – nicht nur im Kinderlied. Aber: Wann wird die Islamisierung über Youtube-Videos und in den Hinterzimmern von Gebetshäusern über die Gesinnungstäterschaft zur Vorbereitungshandlung für ein Verbrechen? Alleine in Deutschland gibt es laut Polizeigewerkschaft derzeit rund 590 Personen die man als Gefährder einstuft. Von ihnen geht also die gleiche Gefahr aus wie von Anis Amri oder Abdelhamid Abaaoud – dem Attentäter von Paris. Technisch wäre es ein leichtes Unterfangen, diese Menschen mit einer Fußfessel auszustatten. Aber: Wo zieht man in Zukunft die Grenze? Bekommen künftig auch vorbestrafte Kinderschänder eine Fußfessel, die Alarm schlägt, wenn sie sich einem Spielplatz nähern? Schlägt die Fußfessel bei Alkolenkern Alarm, wenn sie eine Bar betreten? Auch hier muss man eine breite Debatte führen.

7. Man missversteht den Clash of Cultures
Wer sich – Oberflächlichkeit genügt hierbei – mit den Ideologisierungs-Kanälen der Islamisten beschäftigt, sieht ein immer gleiches Muster: Man versucht, den Westen selbst zu spalten – und nicht einen Konflikt zwischen der arabischen und westlichen Welt zu vertiefen. Ziele im Westen sind dann in der Regel jene Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die den Anschluss an eine vermeintlich erstrebenswerte Glitzer-Welt verpasst haben. Dies lässt Subkulturen entstehen, die von außen skurril wirken mögen, tatsächlich aber enormen Zündstoff in sich bergen. Nicht umsonst stammen zahlreiche islamistische Attentäter eigentlich aus westlichen Verhältnissen.

Das Magazin Biber hat vor wenigen Wochen eine beachtenswerte Reportage über diese Subkultur in Wien veröffentlicht.

8. Man machte Fehler an den Grenzen
Mittlerweile weiß man: Der Train of Hope hat Europa im Spätsommer 2015 überrollt. Nachträgliche Schuldzuweisungen sind schwer, wie eine Aufarbeitung dieser Tage in der Wochenzeitung "Die Zeit" zeigte.
Immerhin für künftige Ereignisse wurden die Lehren gezogen – sagt man zumindest in den europäischen Innen- und Polizeiministerien.

9. Man ist schon jetzt säumig
Vermutlich jeder Österreicher kennt einen Jugoslawien-Flüchtling, und wohl jeder zweite Österreicher kennt einen Jugoslawien-Flüchtling, der heute, 20 Jahre später, immer noch Probleme mit der Sprache und der heimischen Kultur hat, dessen Kinder Probleme mit der Sprache haben. Hier muss es mehr als nur einfache Kraftanstrengungen geben – denn nur über die Sprache wird auch die Integration in den übrigen Bereichen des Lebens funktionieren.

10. Man glaubt, nichts ändern zu müssen
Nach jedem Attentat machen in den sozialen Netzwerken Postings die Runde, die suggerieren, die Party müsse weitergehen. Nein, der Terror wird künftig zu einer latenten Bedrohung, die Einschränkungen in unserem Leben werden weitreichender als die Kontrollen, die an den Flughäfen nach 9/11 eingeführt wurden. Man wird damit lernen zu leben.

Allerdings: In einigen Punkten darf es wirklich keine Abkehr geben – jenen die Europa groß gemacht haben und dem Kern des Kontinents seit 70 Jahren zu Frieden verhelfen: Solidarität, Toleranz und Nächstenliebe.