Mit Verschwörungstheorien und Foulspiel gespickte Politserien wie "House of Cards" haben im Fernsehen Hochkonjunktur. Was sich allerdings auf dem Schlussspurt des US-Wahlkampfes abspielt, könnten sich selbst erfindungsreiche Drehbuchautoren kaum dramatischer ausdenken.

Hillary Clinton und Donald Trump kämpfen erbittert um den Einzug ins Weiße Haus, im Hintergrund werden Fäden und vielleicht auch Intrigen gesponnen, das FBI steht im Zentrum, es wird über Sex-Nachrichten an Minderjährige geschrieben und über die Beteiligung des russischen Gehheimdienstes spekuliert.

Über allem steht die Frage: Hat die dank eines kurzen und wenig inhaltsschweren Briefes von FBI-Chef James Comey neu entfachte Debatte zu Hillary Clintons E-Mails die Qualität, ein schon fast entschieden geglaubtes Präsidentschaftsrennen zu drehen? Kann Donald Trump die Gunst der Stunde nutzen? Erste Umfragen, die aktuell genug sind, das Geschehen vom vergangenen Freitag einzuschließen, gehen in diese Richtung. Donald Trump hat im Durchschnitt des Portals "RealClearPolitics" nur noch weniger als drei Prozentpunkte Rückstand auf Clinton. Der Abstand hat sich innerhalb einer Woche halbiert.

Wichtiger für den Ausgang der Wahl ist aber die Lage in den wichtigen Bundesstaaten. In einigen hatte Trump bereits vor der neuen E-Mail-Diskussion aufholen können - eine für Demoskopen normale Entwicklung. "Wir werden sehen, dass sich die Umfragekurven in der Woche vor der Wahl annähern", sagte Patrick Murphy, Leiter des Meinungsforschungsinstitutes der Monmouth University der dpa. Trump führt jetzt leicht in Florida, dem wichtigsten aller Swing States und baute seine Führung in Ohio aus.

Harte Bandagen

Er muss aber dennoch weitere Staaten drehen, um auf die magische Zahl von 270 Wahlmännern zu kommen - die absolute Mehrheit im Wahlmännerkollegium, das letztlich den Präsidenten wählt. Pennsylvania, Colorado, North Carolina - dort führt Hillary Clinton noch immer vergleichsweise komfortabel. Trump braucht nicht nur einen dieser Staaten - er braucht alle, anders geht seine Rechnung für das Weiße Haus nicht auf. Ein noch immer extrem steiler und steiniger Weg für den Republikaner.

Der 70-Jährige kämpft mit den härtesten aller Bandagen, auf den Kundgebungen der vergangenen drei Tage stellte er Hillary Clinton ins Zentrum seiner Wahlkampfreden. Sie sei kriminell, korrupt, gewissenlos, Teil eines manipulierten politischen Systems und das seit 30 Jahren. Argumente, die er seit Monaten auflegt - jetzt plötzlich scheint der Demagoge an Glaubwürdigkeit zu gewinnen.

Heiß diskutiert werden auch Aussagen Trumps aus der Vergangenheit. Bereits vor Monaten hatte er öffentlich Andeutungen gemacht, dass Clinton-Vertraute Huma Abedin und ihr fremdgehender Noch-Ehemann, der Ex-Abgeordnete Anthony Weiner aus New York, an geheimes Material aus dem US-Außenministerium gekommen sein könnten. Zufall? Oder wusste Trump was? Die wildeste aller Verschwörungstheorien: Der russische Geheimdienst hat im Auftrag von Trumps angeblichem Freund Wladimir Putins die E-Mails auf Abedins Computer platziert, um sie vom FBI kurz vor der Wahl finden zu lassen.

In einer neuen Umfrage für die "Washington Post" und den Sender "ABC News" gaben 60 Prozent der Befragten an, Clinton nicht zu mögen - gegenüber 58 für Trump. Das ist ein neuer Höhepunkt der Unbeliebtheit für Clinton. Allerdings sagten auch 63 Prozent: Die neuen Entwicklungen rund um die E-Mails machten keinen Unterschied für ihre Wahlentscheidung.

Clintons Wahlkampflager versuchte am Montag weiter, das Verhalten von FBI-Chef James Comey zu diskreditieren. Mehrere frühere Justizminister und aktuelle Mitarbeiter des Ministeriums erklärten, Comey habe mit dem Absenden seines Briefes an mehrere Parlamentsabgeordnete zumindest ungeschriebene Regeln, wenn nicht sogar das Gesetz verletzt.

Es mehrten sich aber auch Stimmen, die eine Lanze für Comey brachen - der noch vor wenigen Monaten von den Demokraten wegen seiner Umsicht in der E-Mailaffäre gelobt und von den Republikanern gehasst wurde. "Gebt nicht Comey die Schuld", schrieb Page Pate, Professor an der University of Georgia, in einem Gastbeitrag für CNN. "Er hat die E-Mails nicht geschrieben."

Wer was wann geschrieben hat ist noch immer völlig unklar. Auch die Anzahl der betreffenen E-Mails, die wohl über den gemeinsam von Clinton-Beraterin Huma Abedin und ihrem fremdgehenden Ehemann Anthony Weiner genutzten Computer gelaufen sind, ist noch immer nicht bekannt. Am Anfang streuten Clinton-Treue die Information, es handle sich lediglich um drei E-Mails. Inzwischen geht man von Tausenden aus. Ob die alle neue sind, oder ob es sich um Schriftsätze handelt, die in anderen Tranchen der E-Mail-Affäre bereits untersucht wurden - vermutlich wissen es nicht einmal Clinton und Abedin selbst.