Die Wähler in Litauen haben ihre Regierung abgestraft und eine Kleinpartei zur stärksten Kraft im künftigen Parlament gemacht. Die Partei der Bauern und Grünen (LGPU), die im scheidenden Parlament nur einen einzigen Sitz hatte, ging aus der Wahl am Sonntag überraschend als Siegerin hervor.

Signal für Wandel

Ihr Spitzenkandidat, der frühere Polizeichef Saulius Skvernelis, wertete das Ergebnis als Signal für den Wandel und erhob Anspruch auf die Bildung einer Regierung. In dem 141 Abgeordnete umfassenden Parlament wird die LGPU laut endgültigen Auszählungsergebnissen 54 Mandate besetzen. Die als Wahlfavoriten gehandelten Konservativen kommen auf 31 Sitze. Die Sozialdemokraten von Regierungschef Algirdas Butkevicius wurden erwartungsgemäß abgestraft und gewannen nur 17 Sitze. Butkevicius verlor sein Mandat.

Neustart angekündigt

LGPU-Spitzenkandidat Skvernelis kündigte einen Neustart in der Politik an. "Wir werden für eine transparente und vernünftige Politik sorgen", sagte er in der Wahlnacht. "Wir werden eine rationale Koalitionsregierung bilden, und wir werden Persönlichkeiten aufstellen, die den Wandel wollen." Die LGPU sieht sich selbst als Partei der Mitte.

Der frühere Polizeichef Skvernelis ist kein Mitglied der Partei, wurde aber als deren Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten aufgestellt. Er ist wegen seines Kampfes gegen Korruption in der Bevölkerung äußerst beliebt. Der 46-Jährige war erst vor zwei Jahren in die Politik gekommen: Als Innenminister tauschte er seine Polizeiuniform gegen Anzug und Krawatte aus.

Expertenregierung

Offizieller Chef der Partei der Bauern und Grünen ist der Milliardär Ramunas Karbauskis, ein Grundbesitzer und Industrieller. Er hatte im Wahlkampf versprochen, sich für höhere Gehälter und ein Wirtschaftswachstum einzusetzen, um die Abwanderung junger Litauer zu verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte er im Wahlkampf eine "große Koalition" aus allen Parteien ins Spiel gebracht, die eine Expertenregierung tragen solle.

Als Favorit für das Amt des Ministerpräsidenten hatte vor der Wahl der Chef der Konservativen gegolten: Der 34-jährige Gabrielius Landsbergis ist ein Enkel von Vytautas Landsbergis - dem "Vater" der litauischen Unabhängigkeit von der Sowjetunion und Staatspräsidenten von 1990 bis 1992.

Im Mittelpunkt des Wahlkampfs standen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der ehemaligen Sowjetrepublik. Angesichts anhaltend hoher Armut und sozialer Ungleichheit zieht es viele junge Menschen ins Ausland. Rund 370.000 haben seit dem EU-Beitritt des Landes im Jahr 2004 ihre Heimat verlassen, etwa die Hälfte davon zog es nach Großbritannien. Alle Spitzenkandidaten traten denn auch mit dem Versprechen an, die Löhne zu erhöhen und mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

Der Urnengang in dem 2,9 Einwohner zählenden baltischen Staat war als Protestwahl gegen die bisher regierende Linkskoalition gewertet worden. Beobachtern zufolge hat vor allem die jüngste Novellierung des Arbeitsrechts, die Entlassungen vereinfacht, Butkevicius und seiner Regierung Stimmen gekostet.

Dennoch "überrascht" von dem Wahlausgang äußerte sich Ramunas Vilpisauskas vom Institut für internationale Beziehungen und Politikwissenschaft in Vilnius. "Das bedeutet wirklich, dass die Leute neue Gesichter in der Politik wollen." Die Erwartungen der Menschen seien aber schwer einzuschätzen, die LPGU-Politiker seien weitgehend unbekannt.

Die Wahlbeteiligung unter den 2,5 Millionen Stimmberechtigten lag nach Angaben der Wahlkommission bei rund 38 Prozent.