Die Räumung des "Dschungel" genannten inoffiziellen Flüchtlingslagers im nordfranzösischen Calais verläuft laut Ärzte ohne Grenzen (MSF) in einer "ruhigen, entspannten Atmosphäre". Allerdings seien die Behörden wegen der vielen Menschen auch etwas überfordert, sagte der MSF-Missionschef in Frankreich, Franck Esnee, am Montag der APA.

Ursprünglich seien vier Warteschlangen für die Registrierung eingerichtet worden, je nach dem, ob es sich bei den Betroffenen um Minderjährige, Familien, "besonders verletzliche" Personen oder allein stehende Erwachsene handle, berichtete der Missionschef der Hilfsorganisation, der sich vor Ort befand. Doch wegen der großen Menge an Menschen sei dieses System nicht durchzuhalten gewesen. "Man müsste es auf jeden Fall adaptieren für morgen, damit etwa die Minderjährigen schneller weggebracht werden können."

30 Autobusse verließen Lager

Nach seinen Informationen hätten bis zum frühen Nachmittag etwa 30 Autobusse das Lager verlassen. Esnee lobte das bisherige Vorgehen der Polizei während der Räumung. "Die Polizeipräsenz war sehr diskret. Es gab keine Provokationen", betonte er.

Sorge bereitete ihm allerdings die Zukunft jener Menschen unter den Bewohnern des "Dschungels", die keinen Asylantrag in Frankreich stellen wollten. Da müssten die Möglichkeiten der legalen Einreise nach Großbritannien "flüssiger und zuverlässiger" gestaltet werden, forderte Esnee. Derzeit gibt es seinen Angaben nach zwei Möglichkeiten: Einerseits die Familienzusammenführung, andererseits das sogenannte Dubs Amendment, eine Selbstverpflichtung der britischen Regierung, 3.000 minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Diese war vom Labour-Politiker Lord Alfred Dubs initiiert worden, der selbst 1939 als jüdisches Kind in Prag durch einen Kindertransport nach Großbritannien vor dem Holocaust gerettet worden war.

Räumung bis zum Ende der Woche

Die Räumung des Lagers hatte am heutigen Montag begonnen und soll bis Ende der Woche dauern. Zuletzt hatten sich dort nach offiziellen Angaben 6.500 Flüchtlinge aufgehalten, Hilfsorganisationen sprachen von bis zu 10.000 Personen. Die Flüchtlinge hatten von der nordfranzösischen Stadt aus versucht, durch den Ärmelkanal Großbritannien zu erreichen, etwa im Laderaum von Lkws, wo sie sich ein besseres Leben versprechen. Bereits 2009 war der erste "Dschungel" von Calais geräumt worden. Durch die 2015 begonnene Flüchtlingskrise verschärfte sich noch die Situation an der französischen Ärmelkanalküste.