Die Frage der Flüchtlings-Rückführungen hat am Mittwoch für koalitionsinterne Irritationen gesorgt. Nachdem Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) erklärt hatte, seiner Einschätzung nach könnten derzeit bis zu 90 Prozent der Asylentscheidungen in Österreich nicht umgesetzt werden, wies man dies im ÖVP-geführten Innenressort zurück.

Innenminister Sobotka und Verteidigungsminister Doskozil.
Innenminister Sobotka und Verteidigungsminister Doskozil. © APA/ROLAND SCHLAGER

Doskozil hatte die Prozentzahl am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) in Wien genannt. Weil Rückübernahmeabkommen fehlen, können viele Migranten auch nach einem negativen Asylbescheid oft nicht abgeschoben werden. "Aktuell ist es nicht wesentlich, ob jemand ins Asylverfahren kommt (...) weil wir unsere Entscheidungen bis zu einem hohen Grad - 80 bis 90 Prozent - nicht umsetzen", so der Verteidigungsminister.

"Untragbar"

Am Mittwoch bekräftigte er seine Aussagen. "Nach meiner Einschätzung können wir etwa 90 Prozent der Personengruppen mit negativem Asylbescheid nicht in ihre Herkunftsländer zurückbringen, weil es keine Rückübernahmeabkommen gibt." Es sei untragbar, dass Länder wie Marokko oder Afghanistan ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen. Er forderte eine gesamteuropäische Lösung des Themas: "Ich habe bereits vor Wochen einen Rückführungsgipfel auf Ebene der EU-Fachminister vorgeschlagen", so Doskozil. Auch sprach er sich dafür aus, Friedensmissionen der internationalen Gemeinschaft mit Rückführungen in diese Länder zu koppeln.

Im Innenministerium konnte man die von Doskozil genannten Zahlen nicht nachvollziehen. Das Ressort verwies auf die aktuelle Datenlage: Im Jahr 2016 habe es bis Ende September in Österreich rund 11.500 negative Asylbescheide gegeben. Seit Jänner haben 7.826 Betroffene das Landes verlassen - freiwillig und via Abschiebungen. Das "Delta" betrage also rund 3.700 Personen, also gut 30 Prozent.

Auch das Argument des Verteidigungsressorts, bei den 90 Prozent habe Doskozil nur jene Fälle gemeint, die nach einem negativen Asylbescheid in ihre Herkunftsländer außerhalb der EU gebracht werden müssten (ohne EU-interne Rückschiebungen innerhalb der Dublin-Zone), ließ man im Innenressort nicht gelten. Denn von den 7.826 Außer-Landes-Gebrachten im heurigen Jahr seien lediglich 1.630 Dublin-Fälle gewesen. Ungeachtet dessen betonte man im Innenressort, man sei sich der Bedeutung des Themas bewusst: "Es bestreitet niemand, dass diese Rückführungen eine Herausforderung sind", sagte eine Sprecherin Sobotkas.

Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) forderte angesichts der Debatte erneut die EU auf, auf jene Staaten mehr Druck auszuüben, die nicht bereit seien, ihre Bürger zurückzunehmen. Ohne sich auf die Zahlendiskussion einzulassen, erklärte Kurz, die Zahl derer, die trotz eines negativen Asylbescheids das Land nicht verlassen, sei "zu hoch".