Zumindest 151 Flüchtlingskinder werden von den Behörden in Österreich als vermisst geführt. Im Vorjahr und im bisherigen Jahr 2016 seien im Flüchtlingslager Traiskirchen, das die meisten minderjährigen Flüchtlinge durchlaufen, insgesamt 193 abgängige Unter-14-Jährige gemeldet worden, sagte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Davon sind 42 wieder aufgetaucht.

Im Innenministerium geht man davon aus, dass viele der abgängigen Kinder in andere EU-Länder weitergereist sind. Der Sprecher verwies darauf, dass die Asylregeln der EU, die an sich ein Schutzansuchen im ersten Land der Einreise vorschreiben, nach der Dublin-III-Verordnung auf Minderjährige meist nicht anzuwenden seien. Daher seien wohl einige der Kinder in Deutschland gelandet. Mögliche Hinweise auf Menschenhandel sehen die Behörden bei den vermissten Kinder nicht. "Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass Abgängigkeiten auf andere Umstände zurückzuführen sind", sagte Grundböck.

Berichte über vermisste Flüchtlingskinder gab es in den vergangenen Monaten in einigen EU-Ländern. Zu Jahresbeginn schätzte die Polizeibehörde Europol ihre Zahl europaweit auf rund 10.000. Ein Bericht der Organisation "Missing Children Europe" warnte davor, Kinder seien dem Risiko ausgesetzt, Opfer von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung, erzwungenem Drogenschmuggel oder Bettelei zu werden. Die Studienautoren riefen zur besseren Kooperation der einzelnen nationalen Behörden und innerhalb Europas auf, um alle Fälle vermisster Kinder aufzuklären.

Die deutschen Behörden teilten am Montag mit, dass in Deutschland derzeit knapp 9000 junge Flüchtlinge offiziell als vermisst geführt warden. Die Zahl der verschwundenen Flüchtlingskinder und -jugendliche hat sich seit Jahresbeginn fast verdoppelt: Die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet unter Berufung auf Angaben des deutschen Bundeskriminalamts (BKA), dass derzeit 8991 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als vermisst gemeldet sind. Das sind mehr als im gesamten Jahr 2015 und doppelt so viele wie noch zu Jahresbeginn, als 4749 geflüchtete Minderjährige als vermisst galten.

Der größte Teil der Verschwundenen waren demnach Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren. Mit 867 war aber auch die Zahl der vermissten Kinder unter 13 Jahren erschreckend hoch. Hinzu kamen laut BKA 78 Personen über 18 Jahren. Mit Blick auf den Anstieg der Zahlen verwies das Amt nach Angaben der Zeitung auf den massiven Flüchtlingszustrom seit Mitte vergangenen Jahres, in dem auch sehr viele unbegleitete Kinder und Jugendliche nach Deutschland gereist seien. Die meisten Fälle seien harmlos und hätten keinen kriminellen Hintergrund.

„Konkrete Erkenntnisse, dass ein Teil der zu Jahresbeginn vermissten minderjährigen Flüchtlinge Kriminellen in die Hände gefallen sein könnten, liegen im Bundeskriminalamt nicht vor“, sagte eine BKA-Sprecherin der "NOZ". „Vielfach entfernen sich die Kinder nicht planlos, sondern wollen ihre Eltern, Verwandten oder Bekannten in anderen deutschen Städten oder gar im europäischen Ausland aufsuchen.“

Die Statistik verzerre dabei die Zahlen nach oben. Wenn Kinder bei der Familie ankämen, erhielten die deutschen Behörden oft keine Rückmeldung und die Namen blieben in der Fahndungsdatenbank stehen. Häufig gebe es Mehrfachregistrierungen, wenn Jugendliche sich an einem anderen Ort wieder melden - weil die Jugendlichen keinen Pass mehr haben und ihre Personalien nicht feststehen oder weil der Name unterschiedlich geschrieben wird, so das BKA.

Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Grünen-Abgeordneten hervorgeht, kommen die meisten vermissten unbegleiteten Flüchtlingskinder aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Eritrea, Marokko und Algerien, so die "NOZ".