Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Flüchtlingspolitik der vergangenen Monate verteidigt. Sie habe schon vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass es hier um eine große Aufgabe gehe, sagte Merkel am Sonntagabend in Berlin in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". "Da haben wir auch seither Vieles erreicht und Manches bleibt noch zu tun."

"Stehen heute ganz anders da"

Zu ihrem viel zitierten Satz "Wir schaffen das" - den unter anderem zuletzt auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) kritisiert hatte - sagte Merkel jetzt, rund ein Jahr später: "Wir stehen heute ganz anders da als vor einem Jahr." Es gebe Tausende zusätzlicher Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), es sei ein Integrationsgesetz auf Bundesebene beschlossen worden und die Kommunen würden bei den Integrationskosten entlastet. Zugleich seien härtere Regeln für Menschen mit schlechter Bleibeperspektive festgelegt worden.

Vor einem Jahr sei die Prognose für den Zuzug von Flüchtlingen auf 800.000 angehoben worden. Damals habe sie deutlich machen wollen: "Wir gehen an die Aufgabe heran" und "wo uns etwas im Wege steht, da müssen wir das überwinden", hob die Kanzlerin hervor.

Mit Blick auf Kritik auch vom Koalitionspartner SPD sagte Merkel: "Wir haben alles gemeinsam beschlossen." Die Große Koalition habe "viel Gesetzesarbeit geleistet". In den kommenden Wochen sollten jetzt noch weitere Maßnahmen im Bereich Innere Sicherheit beschlossen werden."

Festhalten an Quotensystem

SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte Merkel im ZDF-Sommerinterview (Ausstrahlung am Sonntagabend) scharf kritisiert: Es reiche nicht, ständig zu sagen, wir schaffen das, sagte der Vizekanzler weiter. Vielmehr müssten die Voraussetzungen geschaffen werden, "dass wir es auch hinkriegen" - das aber habe die CDU/CSU "immer blockiert".

Zudem hält Merkel an einem Quotensystem zur Verteilung der Flüchtlinge in der EU fest. Bei der Frage, wie die in Europa lebenden Flüchtlinge verteilt werden könnten, gebe es "einige Länder, die sich nicht so daran beteiligen wollen, anderen, die offener sind", sagte die CDU-Politikerin in der ARD-Sendung weiter.

Gleichzeitig betonte Merkel: "Was nicht geht ist, dass einige Länder sagen, Muslime wollen wir generell in unserem Land nicht haben. Egal, ob das aus humanitären Gründen notwendig ist oder nicht." Darüber müsse weiter gesprochen werden. Der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei sei von allen Partnerländern als richtig und wichtig bestätigt worden, sagte die Kanzlerin zudem nach ihren Gesprächen auch mit zahlreichen skeptischen Staats- und Regierungschefs der EU in den vergangenen Tagen.

"Besonnene Reaktion auf Brexit-Votum"

Bei den Treffen - am Samstag war auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zu Gesprächen in Berlin - im Vorfeld des informellen EU-Gipfels am 16. September in Bratislava ist vor allem das Ja der Briten zum EU-Austritt (Brexit) Thema. In der ARD-Sendung warb Merkel für eine besonnene Reaktion auf das Votum. "Ehe man hektisch irgendwelche Aktivitäten in Angriff nimmt, sollte man vielleicht erstmal in Ruhe überlegen: Was müssen wir auch besser machen als die 27" verbleibenden EU-Länder.

Darum gehe es bei ihren Gesprächen mit fast allen EU-Partnern. Von allen werde das Thema innere und äußere Sicherheit als "Riesenthema" von allen anderen EU-Ländern akzeptiert, sagte die Kanzlerin.

Zugleich zeigte sich Merkel optimistisch, dass die verbleibenden 27 EU-Länder eine gute Lösung für die Zeit nach einem Ausstieg Großbritanniens finden würden. "Wir haben in Europa viele, viele Lösungen in den letzten Jahren gefunden. Und da müssen wir an den schwierigen Stellen noch weitermachen."

"Zum gegebenen Zeitpunkt"

Merkel lässt indes weiterhin offen, ob sie bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr erneut als Spitzenkandidatin antritt. Sie werde "zum gegebenen Zeitpunkt" entscheiden, sagte Merkel am Sonntagabend im ARD-"Sommerinterview". Dies betreffe ihre erneute Kandidatur als CDU-Vorsitzende auf dem Parteitag im Dezember in Essen wie auch eine Kanzlerkandidatur bei der Wahl 2017.

Sie habe sich bisher auch noch nicht geäußert, wann sie ihre Entscheidung mitteilen wolle, betonte Merkel. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte berichtet, Merkel wolle ihre Entscheidung für eine erneute Kandidatur wohl erst im Frühjahr 2017 bekannt geben. Grund dafür sei, dass CSU-Chef Horst Seehofer erst dann entscheiden wolle, ob seine Partei Merkel wieder unterstütze, berichtete das Magazin unter Berufung auf CDU-Kreise.