In einem ersten Dekret seit Einführung des Ausnahmezustands ordnete er am Samstag die Schließung tausender Einrichtungen mit mutmaßlichen Verbindungen zur Bewegung seines einstigen Weggefährten an.

Gleichzeitig wurde die Dauer des zulässigen Polizeigewahrsams auf 30 Tage ausgedehnt. Regierungschef Binali Yildirim kündigte die Auflösung der Präsidentengarde an.

Erdogan beschuldigt den in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen und seine Anhänger, hinter dem Umsturzversuch vor rund einer Woche zu stehen. Gülen weist dies zurück. Laut dem Dekret werden nun 1.043 Privatschulen, 1.229 Vereine und Stiftungen, 19 Gewerkschaften und Verbände und 35 Gesundheitseinrichtungen geschlossen, die zu Gülens Hizmet-Bewegung gehören sollen. Zudem wurde ein Neffe des 75-jährigen Predigers, Muhammet Sait Gülen, in Gewahrsam genommen.

Berater Gülens festgenommen

Auch ein Berater Gülens wurde nach Angaben des Präsidialamtes festgenommen. Halis Hanci, der als rechte Hand des Geistlichen agiere, sei "anscheinend" zwei Tage vor dem Putschversuch in die Türkei gekommen, sagte ein Regierungsvertreter.

Der am Mittwochabend ausgerufene dreimonatige Ausnahmezustand erlaubt der Regierung, per Dekret zu regieren. Laut der ersten Anordnung dieser Art dürfen Verdächtige künftig ohne Anklage bis zu 30 Tage festgehalten werden.

Das Dekret weist zudem die Entlassung sämtlicher Staatsbediensteter an, die zu Organisationen gehören, welche "gegen die nationale Sicherheit handeln". Die Regierung betrachtet die Hizmet-Bewegung als Terrororganisation. Nach den Worten des türkischen Europa-Ministers Ömer Celik ist Gülens Bewegung "brutaler" als die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS).

Nach dem Putschversuch geht die Regierung auch gegen die Präsidentengarde vor. "Es wird keine Präsidentengarde mehr geben, sie hat keinen Zweck, es gibt keinen Bedarf", sagte Regierungschef Yildirim am Samstagabend dem Sender A Haber. Am Freitag war mitgeteilt worden, dass Haftbefehl gegen 300 Mitglieder der Präsidentengarde erlassen wurde. Der Elitetruppe hat insgesamt rund 2.500 Mitglieder.

Yildirim sagte außerdem, nach dem Putschversuch seien 13.002 Menschen in Gewahrsam genommen worden, darunter 8.831 Armeeangehörige, 1.329 Polizisten und 2.100 Richter und Staatsanwälte. 5.837 Menschen seien inhaftiert, darunter 3.718 Soldaten und 123 Generäle.

Hingegen bleiben der oberste Geheimdienstchef Hakan Fidan sowie Generalstabschef Hulusi Akar vorerst weiter im Amt, obwohl es ihnen nicht gelungen war, den Putschversuch zu verhindern. Berichten zufolge hatte Fidan schon Stunden zuvor Hinweise auf den bevorstehenden Umsturzversuch.

Der italienische Regierungschef Matteo Renzi kritisierte die Festnahmewelle seit dem Putschversuch. Ein Land, das "seine eigenen Professoren und seinen eigenen Journalisten inhaftiert, sperrt seine Zukunft ins Gefängnis", sagte Renzi bei einem Treffen seiner Partei PD.

11.000 Pässe ungültig

Am Freitag wurden die Pässe von knapp 11.000 türkischen Beamten und anderen Bürgern für ungültig erklärt, um sie an der Ausreise zu hindern. Zuvor hatte die Regierung bereits ein allgemeines Verbot für Wissenschafter erlassen, zu Dienstreisen ins Ausland zu reisen.

Die EU-Kommission hatte das massive Vorgehen gegen Staatsbedienstete am Freitag als "inakzeptabel" bezeichnet. Sie warnte ferner vor einem Ende der EU-Beitrittsverhandlungen, sollte die Türkei die Todesstrafe wieder einführen. Erdogan erklärte, was die EU-Vertreter sagten, "interessiert mich nicht, und ich höre ihnen nicht zu".

In einem Interview mit dem Sender "France 24" beklagte der Präsident zudem, dass die EU die Türkei seit Jahrzehnten hinhalte. "Europa lässt uns seit 53 Jahren an der Tür warten", sagte Erdogan. "Kein anderes Land hat während der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union so gelitten."

In der Flüchtlingskrise habe die Türkei als "Schild für Europa" gedient, doch habe die EU ihre gemachten Versprechen nicht gehalten. Europa-Minister Celik versicherte, das Abkommen werde trotz des Umsturzversuchs weiterhin "reibungslos" umgesetzt.

In Istanbul demonstrierten am Samstag Tausende für mehr Demokratie. HDP-Chef Selahattin Demirtas sagte vor den Demonstranten, Erdogans Entscheidung, die Dauer des zulässigen Polizeigewahrsams auf 30 Tage auszudehnen, laufe "auf Folter hinaus".

Die führenden Industrie- und Schwellenländer forderten von ihrem G-20-Partner Türkei die Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln. Die G-20-Finanzminister und -Notenbankchefs wollten bei ihrem Treffen im chinesischen Chengdu betonen, dass die Stabilität der Türkei wichtig sei, hieß es aus G-20-Kreisen.

Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Mehmet Simsek hatte zuvor bei einem Symposium in Chengdu den G-20-Partnern zugesichert, die demokratischen Regeln einzuhalten. Auch andere G-20-Staaten hätten in Bedrohungslagen den Ausnahmezustand verhängt. Die Türkei gehört als aufstrebende Volkswirtschaft zur Gruppe der G-20-Länder.