Die Nachricht vom Tod des Obersten US-Richters Antonin Scalia war keine zwei Stunden in der Welt, da entbrannte bereits der politische Streit um die Neubesetzung des Platzes im Supreme Court. Die Republikaner forderten, dass der nächste Präsident und nicht der scheidende Amtsinhaber Barack Obama die Nachfolge Scalias regeln solle. Auf dem Spiel steht, ob künftig weiter das konservative Lager oder der linksliberale Flügel die Mehrheit im neunköpfigen Richtergremium stellt.

Höchstrichter in den USA mächtig

Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen für die Vereinigten Staaten. Bei gesellschaftlichen Streitfragen wie den Rechten von Homosexuellen, den Waffengesetzen oder der Abtreibung haben die Obersten Richter oft das letzte Wort. In der Einwanderungspolitik und beim Kampf gegen den Klimawandel stehen Urteile über die von Obama in diesen Bereichen erlassenen Dekrete aus. Mitglieder des Supreme Court werden auf Lebenszeit ernannt.

Wer Scalias Nachfolger bestimmt, kann die politisch-juristische Grundströmung im Land auf Jahre beeinflussen. "Die amerikanische Bevölkerung sollte ein Mitspracherecht bei der Ernennung ihres nächsten Obersten Richters haben", erklärte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, mit Blick auf die Präsidentschaftswahl im November. "Daher sollte der offene Posten nicht besetzt werden, bis wir einen neuen Präsidenten haben." Scalia wurde am Samstag im Bundesstaat Texas tot aufgefunden, Medienberichten zufolge starb er im Schlaf während eines Jagdausfluges.

Der Jurist wurde 79 Jahre alt. Scalia war 1986 vom damaligen Präsidenten Ronald Reagan zum Obersten Richter berufen worden, in den vergangenen Jahren galt er als intellektueller Anführer des konservativen Lagers. Der tiefgläubige Katholik stand für eine strikte Auslegung der Verfassung in ihrem ursprünglichen Sinn. Auf Obama kommt nun zum dritten Mal in seiner Amtszeit die Aufgabe zu, einen Kandidaten für die höchste Richterbank der USA zu nominieren. Der Präsident holte 2009 Sonia Sotomayor als erste Juristin mit lateinamerikanischen Wurzeln an den Supreme Court, ein Jahr später fiel seine Wahl auf Elena Kagan.

"Ein amerikanischer Held"

Oberste Richter müssen allerdings vom Senat bestätigt werden - und dort haben die Republikaner seit den Kongresswahlen 2014 eine Mehrheit. "Was ist geringer als null? Die Chance, dass Obama erfolgreich einen Obersten Richter ernennt, um Scalia zu ersetzen", schrieb Conn Carroll, Sprecher des republikanischen Senators Mike Lee, auf dem Onlinedienst Twitter. Der republikanische Senator Chuck Grassley erklärte, es sei seit mehr als 80 Jahren "gängige Praxis", dass in einem Wahljahr kein neuer Oberster Richter bestätigt werde. Auch der erzkonservative Senator Ted Cruz, der sich um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bemüht, lehnte einen von Obama nominierten Kandidaten kategorisch ab.

"Richter Scalia war ein amerikanischer Held. Wir schulden es ihm und der Nation, dass der Senat sicherstellt, dass der nächste Präsident seinen Nachfolger ernennt." Obama würdigte Scalia als "herausragende Präsenz" im Supreme Court. Zugleich machte der Präsident deutlich, dass er einen Nachfolger vorschlagen werde. "Ich plane, meiner Verantwortung laut Verfassung nachzukommen und zu gegebener Zeit einen Nachfolger zu nominieren", sagte der Präsident vor Journalisten. Unterstützung bekam Obama von seinen Demokraten. Ex-Außenministerin und Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton warf den Republikanern vor, mit ihren Forderungen nach einer Verschiebung der Neubesetzung in das nächste Jahr die Verfassung zu missachten. "Der Senat hat hier eine verfassungsrechtliche Pflicht, die er nicht aus parteipolitischen Gründen aufgeben kann", erklärte sie.

Töne werden rauer

Doch nicht nur zwischen Demokraten und Republikanern wird gestritten: Im ohnehin schon erbitterten Vorwahlkampf der US-Republikaner werden die Töne immer schärfer, die Attacken immer persönlicher. In der neunten TV-Debatte der konservativen Präsidentschaftsbewerber lieferten sich am Samstagabend (Ortszeit) vor allem Floridas Ex-Gouverneur Jeb Bush und der erzkonservative texanische Senator Ted Cruz heftige Wortgefechte mit Multimilliardär Donald Trump.

Gregor Waschinski, AFP