Ein verlängerter Morgenschlaf liegt über der Innenstadt von Udine, denn Montags sind die Geschäfte zu. Nur auf der Piazzale Cella drängen sich 200 Menschen wie bei einem Schlussverkauf. „Matteo, Matteo“, skandiert der Pulk, während eine Kamera-Front Matteo Salvini umzingelt. Der Lega-Chef und selbsterklärte Sieger der jüngsten Italienwahl kommt gleich zur Sache: „Italien zuerst! Wir brauchen unsere Kasernen für die Polizei und nicht als Hotels für Flüchtlinge.“

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Dankbar applaudiert die Anhängerschar. Diese Art von Wahlkampfhilfe nimmt der regionale Spitzenkandidat der Lega, Massimiliano Fedriga, gerne auf: „Sogar in die Bergdörfer schickte man junge Pakistani. Schluss mit der Invasion! Wir haben zu viele Flüchtlinge, vor allem in Udine.“ Da legt Pietro Fontanini, Bürgermeisterkandidat der Lega in Udine, noch eins drauf: „Udine muss wieder eine italienische Stadt werden!“

Udine, mit 100.000 Einwohnern, beherbergt gerade 1000 Flüchtlinge, die nun als Kanonenfutter im Wahlkampf dienen. Die Rechte schickt sich an, bei den Wahlen am Sonntag die Regionalregierung zu erobern. Die Lega, eng mit Europas Rechtsparteien von FPÖ bis Le Pen verbündet, tritt dafür in Friaul wie bei der Italienwahl im Pakt mit Silvio Berlusconis Forza Italia an. Zwei Tage lang hatte man Alt-Regionspräsident Renzo Tondo als gemeinsamen Spitzenkandidaten. Dann kam Lega-Chef Salvini von Rom nach Udine und setzte seinen Mann Fedriga durch.

Sergio Bolzonello (PD) mit Wahlhelfer Paolo Gentiloni (v. l.)
Sergio Bolzonello (PD) mit Wahlhelfer Paolo Gentiloni (v. l.) © KK

Monfalcone, Szenenwechsel. Industriehafen und Werft mit 6000 Mitarbeitern, die mit Schiffsbauaufträgen gut ausgelastet ist. Sergio Bolzonello, nach der jüngsten Wahl von Regionspräsidentin Debora Serracchiani in die Abgeordnetenkammer in Rom nun Spitzenkandidat der in Friaul regierenden PD und ihres Mitte-Links-Bündnisses, hat 250 Gäste zu seinem Wahlkampfauftakt in das Instituto Musicale Antonio Vivaldi geladen: Unternehmer, Ärzte, Bürgermeister, Lehrer. Auf der Bühne führt er Doppelconference mit Professoren und Managerinnen über Innovation, Bildung und den Hafen Triest.

Erholtes Wirtschaftswachstum

„20.000 Arbeitsplätze mehr gibt es jetzt in der Region als vor fünf Jahren“, stellt Bolzonello seine Erfolge als Regionsvizepräsident sowie Wirtschafts- und Tourismuslandesrat dar. Tatsächlich hat Friaul früher als Rest-Italien zu Wirtschaftswachstum zurückgefunden. Serracchiani konnte als Vertraute des Ministerpräsidenten Matteo Renzi Mittel aus Rom für Großprojekte an Autobahn, Eisenbahn und Flughafen nach Triest lotsen. Im Tourismus verzeichnete man an der Oberen Adria 2017 zehn Prozent plus bei den Gästen. Jetzt verspricht Bolzonello 29 Millionen Euro für den Ausbau der Therme von Grado und Geld für den Wein- und Bergtourismus. Er spricht über „Friaul in der Welt“ und nicht über Flüchtlinge. Sein Wahlslogan lautet „Insieme“ – Miteinander, womit übrigens jüngst in Niederösterreich Johanna Mickl-Leitner erfolgreich zur Landeshauptfrau gewählt wurde.

„Ein Symbol für den Dialog“ sei Monfalcone, erklärt Bolzonello, den der noch amtierende Ministerpräsident Paolo Gentiloni im Wahlkampf unterstützt. Er spielt auf den Dialog unter den Kulturen an. Monfalcone ist am Schnittpunkt zwischen Friaul, wo weithin Furlan gesprochen wird, und Julisch Venetien. Hinzu kommt die von Triest über Karst und Collio bis Tarvis präsente slowenische Volksgruppe. Ihre Bewegung „Slovenska Skupnost“ gehört dem von Bolzonello und PDI angeführten Wahlbündnis an.

Mit dem 105 Jahre alten, legendären Schriftsteller und KZ-Überlebenden Boris Pahor stellt sie den ältesten Kandidaten vermutlich je einer Wahl in Europa. 2013 kam man auf 1,41 Prozent. Das genügte, um Serracchiani mit insgesamt 39,9 Prozent hauchdünn vor Mitte-Rechts-Kandidat Renzo Tondo mit 39,00 Prozent gewinnen zu lassen. Das Wahlrecht in Friaul gibt dem Wahlsieger schon bei einer Stimme Vorsprung eine absolute Mandatsmehrheit und damit alle Sitze in der Regionalregierung.

Einen Koalitionspoker, wie er in Rom zwischen den Wahlsiegern Salvini/Berlusconi einerseits sowie Beppe Grillos Spitzenmann Luigi Di Maio der EU-ablehnenden Movimento 5 stelle (5 Sterne) tobt, wird es in Friaul nicht geben. Die letzte Umfrage vom 8. April – später sind Umfragen verboten – gab dem rechten Lager mit Fedriga 45 bis 51 Prozent, Bolzonello 22 bis 28 Prozent. 5-Sterne-Kandidat Alessandro Fraleoni Morgera aus Bologna (21 bis 27 Prozent) greift die PD wegen Spitalsbettenabbau an. Udines Ex-Bürgermeister Sergio Cecotti tritt als Autonome Bewegung für Friaul ohne Chance an. Im Duell Bolzonello – Fedriga haben beide ein Wahlziel: Eine Stimme mehr als der andere.