Dass Vizepräsidentin Brigitte Bierlein die Nachfolge von Gerhard Holzinger als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs antreten wird und auch der ehemalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) Verfassungsrichter wird, ist mittlerweile bekannt. 

Dennoch finden heute Hearings Nationalrat und Bundesrat statt, da ihnen jeweils das Nominierungsrecht für ein Mitglied zusteht. Als Favoriten dafür gelten der Linzer Universitätsprofessor Andreas Hauer und der Rechtsanwalt Michael Rami. beide gelten als FPÖ nahe.

Rami ist übrigens nicht der einzige Anwalt mit FPÖ-Connection, dem beste Chancen auf das hohe Amt eingeräumt werden. Bis vor wenigen Tagen galt auch Rüdiger Schender als Top-Kandidat für einen Sitz im Verfassungsgerichtshof. Teile der FPÖ hätten den langjährigen Parteianwalt und Kanzlei-Partner von Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer gerne mit den höchsten richterlichen Weihen dekoriert gesehen.

Medien-Anwalt prozessierte gegen Verfassungsrichter

Auf Ramis Mandantenliste standen bisher so ziemlich alle FPÖ-Politiker, die Medienverfahren angestrebt haben - aber auch SPÖ-Altkanzler Alfred Gusenbauer. Besonders pikant war deshalb ein Prozess im November 2017: Da stand Rami dem VerfassungsrichterJohannes Schnizer gegenüber, der im Jahr 2007 Kabinettschef von Kanzler Gusenbauer gewesen war. Rami verklagte im FPÖ-Auftrag den Höchstrichter wegen FPÖ-kritischer Aussagen zur Anfechtung der Bundespräsidenten-Stichwahl. Man einigte sich letztlich auf einen Vergleich.
Diese Episoden zeigen, wie fließend die Grenzen sind, wenn es darum geht, fähige und zugleich unbefangene Verfassungsrichter zu finden. Dass nicht nur Parteianwalt Rami, sondern auch Kurzzeit-Vizekanzler Wolfgang Brandstetter Mitglied des Höchstgerichtes werden soll, treibt Kritiker auf die Barrikaden und macht deutlich, dass das heutige Hearing eine Farce wird. Denn wie politisch die Besetzungen waren, zeigt der Blick in die Vergangenheit. 

Gar so neu ist die Parteinähe mancher Verfassungsrichter nämlich nicht. Schon Wilhelm Rosenzweig, von 1954 bis 1978 eines der längstdienenden Mitglieder des Richter-Gremiums, war ein prominenter Parteianwalt der SPÖ, der Kanzler Bruno Kreisky sogar politisch beriet. Ein interessanter Fall ist auch Peter Jann, Verfassungsrichter von 1978 bis 1995 und danach Mitglied am Europäischen Gerichtshof: Er war unmittelbar vor seiner Bestellung fünf Jahre lang Pressereferent und Jurist im ÖVP-Parlamentsklub gewesen. Bestellt wurde er allerdings auf Vorschlag der SPÖ-Alleinregierung.

Und derzeit? Der schon erwähnte Schnizer war vor seiner Bestellung Kabinettschef bei Gusenbauer. Die aus Graz stammende Richterin Claudia Kahr arbeitete einst im SPÖ-Parlamentsklub sowie bei SP-Finanzminister Herbert Salcher und SP-Staatssekretärin Brigitte Ederer. Mit Brandstetter, Rami und dem FPÖ-nahen Linzer Uni-Professor und Burschenschafter Hauer wird der politische Einfluss nicht geringer.

Grabenwarter soll Präsident werden

Ein Teil der Politiknähe resultiert aus dem Bestellmodus: Präsident und Vizepräsident werden von der Bundesregierung vorgeschlagen. Allerdings gelten sowohl die künftige Präsidentin Bierlein als auch Vize Christoph Grabenwarter als exzellente Juristen, die über allen Verdacht erhaben sind. Die Regierung nominiert auch sechs der restlichen zwölf Verfassungsrichter und drei der sechs Ersatzmitglieder. Die übrigen (Ersatz-)Mitglieder schlagen der Nationalrat und der Bundesrat vor.

Wie „bei allen Verfassungsgerichten der Welt“ sei die Bestellung „auch eine politische Entscheidung“, heißt es in der amtlichen Eigendefinition des Gremiums. Jedoch „agieren die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter nach ihrem Amtsantritt völlig unabhängig und nicht entlang parteipolitischer Zuordnungen“, wird auf der VfGH-Homepage beteuert. Bewegt sich der VfGH im Minenfeld der Politik, dann wird regelmäßig die Frage der Nebenamtlichkeit zum Thema. Denn während sich ein Großteil Europas hauptberufliche Verfassungsrichter leistet, sitzen bei uns Anwälte, Uni-Professoren und Wirtschaftstreuhänder im Höchstgericht - allerdings meist mit stark eingeschränkter Nebentätigkeit.

Tatsächlich sorgt die große Zahl an Ersatzmitgliedern in der Praxis dafür, dass beim Anflug von Befangenheit sofort ein Austausch stattfindet. Aktenkundig sind freilich auch Ausnahmen. So saß Karl Korinek, später Präsident des VfGH, im Aufsichtsrat der Erste Bank und fällte trotzdem Entscheidungen, die deren unmittelbarsten Konkurrenten, die Bank Austria, betrafen.

Andere Länder, strengere Regeln

In Deutschland gelten strengere Regeln, allerdings sitzen auch dort etwa der Ex-Ministerpräsident des Saarlandes oder der frühere thüringische Innenminister im Höchstgericht. „Wer dieses Amt ausfüllen will, braucht die Fähigkeit, sich in ein Kolletiv einzugliedern, damit es zu fruchtbaren Entscheidungen kommt und nicht zur Demonstration korrespondierender Eitelkeiten“, sagt Wolfgang Mantl, emeritierter Professor für Öffentliches Recht an der Uni Graz.

Nun weiß man seit Cicero und Hortensius, den großen Anwälten und Politikern der Antike, dass im Spannungsfeld zwischen Gericht und Senat Rollen gespielt werden, und ebenso alt ist die Frage der Vereinbarkeit verschiedener Rollen. Heinz Mayer, Emeritus für Öffentliches Recht an der Uni Wien: „Man weiß bei solchen Leuten nie, welchen Hut sie gerade aufhaben.“