Der deutsche Geheimdienstexperte Wolfgang Krieger erwartet, dass die Kooperation zwischen den verbleibenden EU-Staaten und Großbritannien im Sicherheitsbereich auch nach dem Brexit eng sein wird. "Es kann einfach nicht sein, dass ein westeuropäischer Staat völlig verbindungslos zu uns, zu den Mitgliedsstaaten der EU, da vor der Küste vor sich hindümpelt", betonte Krieger im Gespräch mit der APA.

"Undenkbar"

Dies sei aus seiner Sicht "undenkbar": "Und ich nehme an, dass man hier Lösungen und Prozeduren finden wird, wie man in Teilbereichen weiterhin eng zusammenarbeitet." Rund um das EU-Referendum im Juni hatten sich mehrere ehemalige britische Geheimdienstchefs zu Wort gemeldet, die mit dem Argument der Sicherheit gegen, aber auch für einen Brexit eintraten.

Neues Abkommen nötig

Im militärischen Bereich habe man die NATO, die vom Brexit ja nicht berührt sei, sagte Krieger. "Aber im Bereich der inneren Sicherheit kann die NATO natürlich nicht tätig werden, da sind wir auf Organe angewiesen, die teilweise mit der Europäischen Union verbunden sind, teilweise nicht. Also ich kann mir diesen Brexit nicht vorstellen ohne ein Abkommen, das in wichtigen Gebieten weiterhin eine Zusammenarbeit ermöglicht und vorsieht", unterstrich der Historiker und emeritierte Professor der Universität Marburg.

Norwegen, Schweiz, ...

Krieger verwies in diesem Zusammenhang auch auf Kooperationen mit anderen Nicht-EU-Staaten: "Norwegen ist nicht in der EU, die Schweiz ist es auch nicht, und doch sind die eng eingebunden in Fragen der inneren Sicherheit und auch in anderen Fragen. Das ist durchaus möglich und praktikabel." Selbst mit der Russischen Föderation, "wo es ja nun einige Streitpunkte gibt", werde etwa in Fragen der Terrorismusbekämpfung zusammengearbeitet. "Und wenn das möglich ist, dann muss es ja mit den Briten erst recht möglich sein", meinte Krieger, der der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) in der Zeit von 1945 bis 1968 angehört, in die auch die Vorläuferinstitution "Organisation Gehlen" unter dem früheren Wehrmachtsoffizier und späteren ersten BND-Präsidenten Reinhard Gehlen fällt.

Gute Geheimdienst-Kooperation

Die derzeitige Kooperation zwischen den Geheimdiensten in Europa bezeichnete Krieger als "sehr eng": "Wir wissen in der Öffentlichkeit nicht, wie die Geheimdienste miteinander kooperieren oder kommunizieren. Das ist nicht öffentlich bekannt und muss es auch nicht sein und soll es auch nicht sein." Die Zusammenarbeit sei aber viel enger, als man sich das vorstelle: "Die Leute kennen sich, die Leute vertrauen sich, da gibt es auch Abkommen, die ja meistens auch geheim sind, wie man das macht."

Unterschiedliche Gesetzeslage

Schwierigkeiten bei der Informationsweitergabe zwischen den Behörden über die Grenzen hinweg ergeben sich aus seiner Sicht bisweilen aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Lage in den einzelnen Staaten. "Die Parlamente haben hier Hürden aufgerichtet, die es den Behörden schwer machen. Wir haben in Deutschland die gleiche Erfahrung. Wir hatten alle möglichen Hürden zum Beispiel zwischen Inlands- und Auslandsnachrichtendienst oder zwischen Nachrichtendiensten und Polizei. Da stand - und steht zum Teil jetzt noch - im Gesetz drin: Diese Daten dürfen nicht weitergegeben werden." Natürlich machten Polizei und Geheimdienste aber auch Fehler.

Einflussnahme von außen

Eine verstärkte Gefahr der Einflussnahme von außen auf Wahlen in europäischen Staaten wie Deutschland sieht Krieger aktuell nicht. "Im Unterschied zu den Amerikanern haben wir ja keine elektronischen Wahlkabinen oder irgendetwas computermäßig Elektronisches, das man auf unsichtbare Weise manipulieren könnte." Was es freilich schon gebe, seien "erfundene Nachrichten" und den Versuch der "Beeinflussung der öffentlichen Meinung, aber nicht speziell zu Wahlen, sondern insgesamt des Meinungsbildes".

"Stochern im Nebel"

Welche Folgen für den Geheimdienstbereich der Wahlsieg Donald Trumps in den USA haben könnte, lässt sich nach Ansicht Kriegers noch nicht abschätzen. "Da stochern wir völlig im Nebel" - auch, weil die zentralen Personalentscheidungen hier noch ausstünden.

"Das Problem ist ja, dass er persönlich sich mit diesen ganzen Bereichen nie wirklich befasst hat und dass er da auch gar keine geeignete Personenkenntnis hat." Anders als seine Gegnerin Hillary Clinton, "die Außenministerin war und das Personal kennt. Die hätte natürlich sehr schnell Leute ernennen können, aus persönlicher Kenntnis heraus. Aber das wird Trump nicht machen können."

Frage der Berater

Die Frage sei daher, von wem sich der künftige US-Präsident beraten lasse. "Das ist im Moment das größte Rätsel, das wir in den westlichen Regierungen haben: Nicht nur, wer ist Herr Trump? Das weiß man eigentlich. Sondern: Wer sind die Leute neben Herrn Trump, wer sind die Leute, die ihn beraten und die Einfluss auf ihn haben und solche Personalien mehr oder weniger mitentscheiden werden?"