Aus "Heimat bist du großer Söhne, Volk, begnadet für das Schöne" wird nun also "Heimat großer Töchter, Söhne, begnadet für das Schöne". SPÖ, ÖVP und Grüne haben sich doch auf das Unmögliche, Unvorstellbare verständigt: Jene Textpassage, in der in Österreichs Bundeshymne "große Söhne" besungen werden, wird um "Töchter" erweitert.

Eine "Luxusdiskussion"

Eine lächerliche Formalität im Jahr 2011, könnte man meinen. Eine nicht weiter erwähnenswerte Nachbesserung eines (übrigens von einer Frau namens Paula Preradovic geschriebenen) Textes, der seit 1947 einiges an Staub angesetzt hat. Nicht so in Österreich: Eine "Luxusdiskussion", die über Monate, ja Jahre, immer wieder angesteckt wurde und von den wahren Problemen einer Frau gar nicht weiter entfernt sein könnte. Das weibliche Geschlecht versteht nicht einmal, was hier einer Diskussion wert ist.

Ein Eiertanz um der Söhne Bart, dem es vor allem auf männlicher Seite leider oft am nötigen Format gefehlt hat. ÖVP-Chef Michael Spindelegger sah sich mit einem Geschlechterstreit in der eigenen Partei konfrontiert. Denn das, was sich im Parlament im Juli abgespielt hat - man kann es hoffentlich auf die akute Sommerhitze schieben - hatte keinerlei Stil und leider auch wenig Substanz. Der Tiefpunkt der Posse: Die Spitze der ÖVP-Frauen hatte in einer Geheimaktion mit den Kolleginnen von SPÖ und Grünen einen Gesetzesantrag auf Änderung des Hymnentextes verfertigt - Ex-Frauenministerin Maria Rauch-Kallat sollte ihn in ihrer Abschiedsrede an den Nationalrat vortragen. Dies wusste der (männliche) ÖVP-Klub zu verhindern, indem er einen Mandatar nach dem anderen zum Rednerpult schickte und z.B. über Mastschweine (!) schwadronieren ließ.

Im Parlament wurde und wird die "Kastrations-Angst"-Mentalität der Alphamännchen unter den Politikern offensichtlich: Dort, wo es für diese eigentlich nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen gäbe, würden sie endlich die Chancen echter Gleichberechtigung im 21. Jahrhundert erkennen. Nur für jene Männer freilich, die nicht gleich mit Aussagen wie "Was wollen die denn noch alles?" oder "Haben die sonst keine Sorgen?" die Urzeit-Keule schwingen. Die Diskussion um die Rolle der Frau in der Gesellschaft ins Lächerliche ziehen zu wollen - das ist eine gleichermaßen bekannte wie armselige Methode.

Ein großes Problem ist freilich, dass selbst Frauen sich hier von den Frauen im Parlament nicht vertreten sehen: "Gendering" alleine hat in dieser Welt noch keine Probleme gelöst. Selbst das Argument, das Nachjustieren der Hymne sei ja ein Symbol, ein Anfang (von etwas, das längst Realität sein sollte) und "bewusstseinsprägend" (wie Rauch-Kallat es nannte), lassen Frauen im Land nicht gelten. Auch das huldvolle Absingen einer geschlechtsspezifisch geänderten Bundeshymne dürfte eine Frau beim Betrachten des Lohnzettels nicht glücklicher stimmen. Am Ende des Tages fühlen sich Frauen angesichts einer parlamentarischen Diskussion über die Änderung von zwei (!) Wörtern in einer 60 Jahre alten Hymne in ihren wahren Anliegen nicht ernst genommen. Zu Recht.

Die wahren Probleme

Die Lücke zwischen Mann und Frau klafft weiter auseinander - in vielen Bereichen. Eine Hymne, die beide Geschlechter einschließt, alleine taugt nicht, nicht einmal als Symbol. Diskutieren wir lieber hitzig, hingebungsvoll und doch nüchtern über Frauen, z.B. über Frauen die weiter im Sumpf von Lohndumping, schlecht bezahlten Teilzeit-Jobs und mangelnden Aufstiegschancen waten müssen. Über fehlende Betreuungsplätze für Kinder und Vorherrschaft der Männer in Führungsetagen. Das sollte man den Männern in der Politik und ihren weiblichen Kolleginnen, die mindestens auf Augenhöhe sind, mitgeben - so übrigens auch der Tenor bei einer Umfrage unter den Kolleginnen des Autors.

Und sogar solche Männer, die gerne ihre Bundeshymne grölen, wenigstens vor ÖFB-Ländermatches, sollten hier beipflichten. Sofern sie denn "wahre Kerle" sind.