Es ist eigentlich nichts Besonderes: Die Brasilianer haben ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Doch für Schlagzeilen sorgte weniger dieser in Demokratien an sich normale Vorgang als das Faktum, dass künftig mit Dilma Rousseff eine Frau an der Spitze der achtgrößten Volkswirtschaft der Welt steht.

Um Rousseff brauchen wir uns nicht zu sorgen: Sie kann sich durchsetzen! Das war zumindest jene Information, die vorrangig über sie verbreitet wurde. Was man bei einem Mann für selbstverständlich hält, brachte ihr den schönen Beinamen "Traktor" ein.

Normalität sind Frauen an der Macht also noch nicht, auch wenn die Zahl der "Traktorinnen" wächst. Rousseff in Rio, Merkel in Berlin, Kirchner in Buenos Aires: "Regieren Frauen anders?", fragt sich nun so mancher Zeitgenosse. Die Antwort haben viele auch schon bereit: "Nein, ärger!", führen die einen Margaret Thatcher, die "Eiserne Lady", ins Feld. "Frauen sind viel rücksichtsvoller!", wissen die anderen. Wir wollten es genauer wissen und fragten die Politologin Birgit Sauer.

Frauen an den Hebeln der Macht: Hat das Beispielcharakter oder ist es doch nur Exotik?
BIRGIT SAUER: Einfluss und Macht der Frauen sind eindeutig gestiegen. In Lateinamerika und auch in asiatischen Ländern hat das auch mit der familiären Herkunft zu tun: Frauen aus politischen Dynastien bekommen Macht, siehe Kirchner in Argentinien. Andererseits gibt es in Lateinamerika auch viele junge Demokratien, wo man den Willen zum politischen Wandel hat.

Machen Frauen eine andere Politik als Männer?
SAUER: Nein.

So kategorisch?
SAUER: Ja. Geschlecht ist kein politisches Programm. Es gibt meines Wissens noch keine wissenschaftlichen Studien über das politische Verhalten von Frauen, aber wenn man Parlamentarierinnen oder Ministerinnen hernimmt, sieht man keinen Unterschied zu Männern. Politiker sind in erster Linie ihrer Partei verpflichtet. Frauen sind da nicht anders.

Männern wird mehr Ellbogentechnik nachgesagt, Frauen Einfühlungsvermögen. Stimmt das?
SAUER: Ich gehe nicht davon aus, dass Mann und Frau grundsätzlich unterschiedlich sind. Für mich sind Verhaltensweisen und Geschlechtsrollen ganz stark vom Kontext bestimmt. Das Verhalten von Politikern und Politikerinnen wird vom kompetitiven machtbezogenen Politikfeld geprägt.

Will eine Frau sich in einem Spiel behaupten, das von Männern dominiert wird, muss sie sich an die Regeln der Männer halten?
SAUER: Genau. Wer sich auf dieses Terrain begibt, muss sich auch auf das Umfeld einstellen.

Was ist dann mit den sogenannten Soft Skills, dem Einfühlungsvermögen, der Diplomatie?
SAUER: Darauf greifen auch die Männer zurück. Es gibt ja nicht nur die Rambos unter Politikern, und auch nicht alle Politikerinnen sind a priori Engel.

Frauen wird gern zu viel Friedfertigkeit vorgeworfen. Zu Recht?
SAUER: Angela Merkel ist anders: Die ging ziemlich rabiat mit ihrer männlichen Kohorte um, mit dem Herrn Koch und dem Herrn Wulff, den jungen Wilden in der CDU. Ursula von der Leyen als Familienministerin hätte es unter einem männlichen CDU-Kanzler nicht gegeben.

Zu viele Kinder?
SAUER: Ja, und auch zu viele neue Ideen. Es gab ja viel Widerstand, als sie das Elterngeld eingeführt und gesagt hat, Väter sollen sich an der Kindererziehung beteiligen, sonst gibt's kein Geld. Bei so einer offensiven Familienpolitik hätte es ohne Merkel sicher mehr Widerstand in der CDU gegeben.

Wäre die Welt mit mehr Frauen am Ruder besser?
SAUER: Nein, denn es gibt so festgefahrene Strukturen von Wettbewerb, Ausbeutung und Unterdrückung, da braucht es mehr. Das Geschlecht allein reicht da nicht aus.