Für Wiens Langzeit-Bürgermeister Michael Häupl gibt es für die künftige Stadtregierung nur zwei realistische Varianten (eine Zusammenarbeit mit den Strache-Blauen scheint für den obersten "Genossen" in etwa so "vorstellbar" wie die Abschaffung aller Heurigen-Wirte): Die Aufteilung der Stadt in Rot und Schwarz - und damit der "gleiche Schmarren wie im Bund". Wenn z.B. der Landessprecher der Kärntner Grünen, Rolf Holub, in diesem Fall eine Ganzkörperstarre nach bundespolitischer Fasson befürchtet, scheinen ihm auch Nicht-Grün-Freunde kaum widersprechen zu wollen. Rot-Schwarz ruft in Österreich keine Begeisterungsstürme (mehr) hervor. In der Steiermark müssen sich z.B. der Rote Franz Voves und sein politischer Lebensabschnittspartner Hermann Schützenhöfer von der ÖVP die Frage gefallen lassen, warum "Vor der Wahl" auch "Nach der Wahl" ist - und was nun eigentlich anders sein soll in der Neuauflage ihrer Zwangsehe in Rot-Schwarz.

Nach europäischem Vorbild?

Die zweite Variante ist Rot-Grün unter Häupl und Grün-Klubobfrau Maria Vassilakou. Was für viele spätestens seit Aufnahme der Koalitionsgespräche zur Gewissheit wird, ist in großen Städten Europas und auch in Österreich schon längst Realität. Österreichs Grüne von Christoph Chorherr bis Rudi Anschober machen auch genau damit Stimmung. Landesrat Anschober, Landessprecher der Grünen in Oberösterreich, sieht eine "große Chance" für Wien. Die vergangenen sieben Jahre in Oberösterreich, wo die ÖVP und seine Partei zusammenarbeiten, hätten gezeigt, dass sich die Region positiv entwickelt habe. Mit einem Übereinkommen in Wien würde die Stadt weltoffener und ökologischer, ist wenigstens Anschober überzeugt. "München, Köln, Zürich, Paris, Barcelona und viele andere Städte in Europa haben rot-grüne Mehrheiten und Grüne in der Regierung, die zeigen, was Grüne Programmatik in der Praxis kann", trommelt Chorherr, Ex-Klubobmann der Wiener Grünen, die Werbetrommel.

Freilich sind nicht alle so optimistisch: Geht es nach der Grazer Grünen Lisa Rücker (selbst in der nicht unumstrittenen Grazer Stadtregierung), werde es eine Herausforderung sein, sich in einem "Moloch der Sozialdemokratie" als Grüne durchsetzen zu können. Es müsse daher sichergestellt sein, dass die "Grüne Handschrift" erkennbar ist. Wenig verwunderlich wird das Verkehrsthema laut Häupl am schwierigsten - Umwelt, Bildung, Armut, Gesundheit, Soziales und Sicherheit sind weitere Felder, in denen auch zwischen Links-Außen und Links-Mitte durchaus Streitpotenzial vorhanden seine könnte: Die Tatsache, dass die Wiener SPÖ offenbar weiß, was sie nicht will, bedeutet eben noch lange nicht, dass sie weiß, was sie mit Grün will. Dementsprechend hielten Häupl und Vassilakou den Ball zum Beginn der Verhandlungen flach. Darüber, wer welche Ressorts bekommen würde, herrscht offiziell auch noch Stillschweigen: "Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt", ist sich wenigstens Vassilakou sicher und gibt sich grünen Träumereien mit Realitätsnähe hin.

Bleiben noch die, die den Grünen das Regieren nach wie vor so gar nicht zutrauen. "Extrem regierungsfähig" seien Vassilakou und ihr Team, stellte der stellvertretende Bundessprecher Werner Kogler seiner Klubobfrau den enttäuschenden Wahlergebnissen in Wien zum Trotz ein Vorzugszeugnis aus. Trotzdem wirkte die Wiener Partei noch im heurigen Sommer angesichts parteiinterner Querelen in mehreren Bezirken (und entsprechender Umfragetiefs) alles andere als das. Die großteils basisdemokratisch organisierte Partei war in den letzten Jahren nicht dafür bekannt, ein Fundament aus Beton zu haben - eine Tatsache, die auch dem Wähler nicht verborgen blieb, bei den letzten Urnengängen kam man nicht mehr vom Fleck. Dass am Ende eines Zankmarathons der Sprung zur Regierungsbeteiligung steht, ist für viele nicht so recht nachvollziehbar. Häupl lässt die Grünen (möglicherweise) trotzdem ins Parterre des sozialdemokratischen Palasts einziehen: Es gehe nicht darum, der ÖVP Steine nachzuwerfen, aber "wir alle denken, dass die Grünen in vielerlei Hinsicht durchaus ein stabiler Faktor sind", streute Häupl dem "Juniorpartner" schon rote Rosen.

Das Beste für die Freiheitlichen?

Das Rot-Grün für die rechte Opposition natürlich der ultimative Schuss ins Blaue ist, war von Beginn an klar: Die FPÖ von Heinz-Christian Strache (und damit des einzigen Wahlgewinners) ist die Braut, der keiner traut. Er sieht das "Exerzierfeld linkslinker Gesellschaftsexperimente" kommen - eine mögliche Rot-Grün-Koalition würde gerade deshalb sehr gut daran tun, die Integrations-Thematik, mit der Strache im Wahlkampf und am Wahltag große Kasse machte, offensiv und mutig anzugehen. Dass es in Wien hier arge Versäumnisse gibt, will niemand mehr schönreden. Betreibt man hier nicht abseits sozialdemokratischer Präpotenz und grüner Schönfärberei zielführend Politik, spielt jeder Tag Rot-Grün der FPÖ in die Hand: "Ein grausiges Abschiedsgeschenk" sei es, dass Häupl da den Wiener mache, befand der verschmähte Strache schon kurz nach der Wahl.

Passen Rot und Grün in der möglichen Regierung nicht auf, machen sie allerdings Strache das schönste Geschenk: Eines mit rot-grünem Mascherl herum, frei Haus geliefert.