Seine Gegner nannten ihn "Pharao", weil er ihnen so mächtig und ungerecht erschien wie die Herrscher des alten Ägyptens. Am kommenden Samstag soll Richter Ahmed Refaat das Urteil im Prozess gegen Ex-Präsident Hosni Mubarak sprechen. Die lautstarke Mehrheit möchte, dass der "Pharao" sein Leben am Galgen beendet, weil er Ägypten heruntergewirtschaftet und die Menschenrechte mit Füßen getreten hat. Sollte er freigesprochen werden oder mit einer milden Strafe davonkommen, wären neue Massenproteste zu erwarten. Einige Aktivisten drohen sogar mit einer "zweiten Revolution".

Gegner für Todesurteil

Eine kleine, aber einflussreiche Minderheit in Ägypten, zu der auch etliche Generäle zählen, würde ein Todesurteil am liebsten verhindern ohne gleichzeitig die Unabhängigkeit der Justiz infrage zu stellen. Nur wie soll das gehen? Die Saudis sollen außerdem gedroht haben, den Geldhahn zuzudrehen und den ägyptischen Gastarbeitern das Leben schwer zu machen, falls ihrem alten Freund Mubarak ein Haar gekrümmt wird. Das bestreiten sie zwar vehement, doch glaubt ihnen in Ägypten kaum jemand.

Der Staatsanwalt hat die Todesstrafe gefordert. Er sieht es als erwiesen an, dass Mubarak im Jänner 2011 den Befehl gegeben hat, mit scharfer Munition auf die Demonstranten zu schießen, die auf dem Tahrir-Platz seinen Rücktritt forderten. Doch viele ägyptische Juristen finden die "unwiderlegbaren Beweise", die er dafür angeführt hat, wenig überzeugend. Sie vermuten deshalb, dass Mubarak lediglich in dem zweiten Anklagepunkt - Korruption und Verschwendung öffentlicher Gelder - schuldig gesprochen wird. Das würde dann auf eine Haftstrafe von 3 bis 15 Jahren hinauslaufen.

Mit Selbstjustiz gedroht

Aus Sicht der Angehörigen der mehr als 800 Toten vom Tahrir-Platz wäre dies nicht ausreichend. Einige von ihnen haben sogar mit Selbstjustiz gedroht für den Fall, dass Mubarak nicht zum Tode verurteilt werden sollte. Auch die sogenannte Revolutionsjugend würde in diesem Fall vermutlich auf die Barrikaden gehen. Denn nachdem ihr Traum von einem Systemwechsel vergangene Woche an den Wahlurnen zerplatzte, sind sie umso mehr von der Idee beseelt, Mubarak am Galgen baumeln zu sehen. Dann wäre aus ihrer Sicht wenigstens eine ihrer Forderungen erfüllt worden.

Der mit Spannung erwartete Urteilsspruch, der live im Fernsehen übertragen werden soll, wird allerdings vermutlich nicht das letzte Kapitel des Mubarak-Dramas sein. Denn es ist davon auszugehen, dass Mubarak, der sich in allen Punkten für unschuldig erklärt hat, nach dem Urteil der ersten Instanz in Berufung gehen wird. Bis das Berufungsgericht entschieden hat, wird der alte "Rais" noch viele Stunden in seinem Krankenzimmer im International Medical Center vor den Toren von Kairo verbringen. Die moderne Klinik hatte Mubarak einst selbst eingeweiht, in Begleitung von Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, dem Vorsitzenden des Obersten Militärrates und aktuellen de-facto-Herrscher Ägyptens.

Einen sarkastischen Scherz erlaubte sich nach der ersten Runde der Präsidentenwahl ein frustrierter Ägypter. Nachdem feststand, dass der frühere Luftwaffenoffizier und ehemalige Mubarak-Minister Ahmed Shafik in der Stichwahl gegen den Muslimbruder Mohammed Mursi antreten würde, schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter: "Wenn wir jetzt einen früheren Luftwaffenoffizier gewählt haben, warum nehmen wir dann nicht gleich den alten Luftwaffenoffizier (Mubarak), den wir noch im Krankenhaus liegen haben?"