Die NATO ist bei der Raketenabwehr für Europa einen wichtigen Schritt vorangekommen: Das System, das vor Angriffen sogenannter Schurkenstaaten wie dem Iran und Nordkorea schützen soll, ist in ersten Teilen einsatzbereit. Das verkündeten die Staats- und Regierungschefs zum Auftakt des NATO-Gipfels am Sonntag in Chicago. Damit dürfte die Konfrontation mit Russland in eine neue Runde gehen.

Die 28 Alliierten stellten bei ihrem Treffen außerdem die Weichen für milliardenschwere Rüstungsprojekte und eine engere Zusammenarbeit bei Entwicklung und Beschaffung von Rüstungsgütern. Für Ärger bei den Partnern sorgte das Ausscheren Frankreichs aus der Bündnissolidarität: Präsident Hollande bekräftigte seine Entschlossenheit, alle rund 3.300 französischen Soldaten schon Ende 2012 aus Afghanistan nach Hause holen - zwei Jahre früher als in der Allianz vereinbart. US-Präsident Obama und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel zeigten sich irritiert.

NATO-Generalsekretär Rasmussen wies darauf hin, dass Hollande trotz des Abzugs eine weitere Unterstützung für den Einsatz zugesagt habe. Damit könnte sich eine Lösung abzeichnen wie im Falle Kanadas, das seine Aufgaben weitgehend auf die Ausbildung afghanischer Kräfte begrenzt hat. Das Thema Afghanistan - Abzug in Etappen und finanzielle Hilfe nach Ende 2014 - stehen am Montag zum Gipfelabschluss auf der Tagesordnung. Es geht um Ausbilder und jährlich 4,1 Milliarden Dollar (3,22 Mrd. Euro) für Armee und Polizei. Deren Verteilung war noch umstritten.

Die NATO-Raketenabwehr beruht auf der Verbindung von Radarstationen und Abfangraketen zu Lande und zu Wasser. Bis 2020 soll es komplett installiert sein. Russland hatte nur Stunden vor dem Beschluss zur Raketenabwehr erneut seine Ablehnung deutlich gemacht. Vize-Verteidigungsminister Antonow sagte in Moskau, das System könne das strategische Gleichgewicht stören.

Der NATO-Generalsekretär versuchte erneut, die russischen Bedenken zu zerstreuen: "Es gibt eine reale Bedrohung, und dagegen brauchen wir eine reale Verteidigung. Und natürlich kann Russland das nicht blockieren." Er hoffe, dass die Führung in Moskau irgendwann verstehe, dass eine Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse sei.