Der Syrien-Sondergesandte von UNO und Arabischer Liga, Kofi Annan, hat das Regime in Damaskus zur sofortigen Umsetzung seines Friedensplans aufgerufen. Die "stärkere" der beiden Konfliktparteien müsse als Zeichen des guten Willens die Gewalt zuerst beenden, sagte der Sprecher des ehemaligen UNO-Generalsekretärs, Ahmad Fawzi, am Freitag in Genf. Erst danach könne mit der Opposition ein Waffenstillstand ausgehandelt werden. "Die Frist endet jetzt", betonte Fawzi.

"Annan soll terroristischen Sumpf trockenlegen"

Der syrische Staatschef Bashar al-Assad ließ allerdings wissen, er wolle den Annan-Plan nur dann umsetzen, wenn die Aufständischen entwaffnet werden. In einer Botschaft an die Teilnehmer des Gipfeltreffens der sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) hieß es an die Adresse Annans: "Er muss sich darauf konzentrieren, den terroristischen Sumpf trockenzulegen."Außerdem müsse die Unterstützung mit Geld und Waffen durch bestimmte Staaten - gemeint sind Saudi-Arabien und Katar - aufhören, erklärte Assad. Mit Blick auf die Türkei sagte er, es gebe Nachbarländer, die "terroristische Aktivitäten gegen Syrien erleichtern".

Der Sechs-Punkte-Plan sieht einen Abzug von Soldaten und schwerem Geschütz aus Wohngebieten sowie freien Zugang für internationale Hilfskräfte und Journalisten in umkämpften Gebiete vor. Weitere Punkte sind die Freilassung politischer Gefangener und die Aufnahme eines Dialogs mit der Opposition. Die syrische Führung hatte den Plan diese Woche laut Assad "trotz einiger Vorbehalte" akzeptiert. Die Opposition hatte erklärt, sie glaube nicht an die leeren Versprechungen des Regimes. Außerdem lehne sie einen Dialog mit Assad ab.

Annans Sprecher kündigte an, der Sondergesandte wolle sich nach seinen Gesprächen in Moskau und Peking auch im Iran und in Saudi-Arabien für eine Lösung des Syrien-Konflikts einsetzen. Es wird angenommen, dass die Regierung in Teheran Syrien bei der Umgehung von Sanktionen des Westens hilft. Außerdem habe Annan einen Stellvertreter nach Istanbul geschickt, um mit den Regimegegnern über eine Niederlegung der Waffen zu diskutieren.

Die syrische Protestbewegung zeigte sich unterdessen enttäuscht von den mageren Ergebnissen des Gipfels der Arabischen Liga in Bagdad, der am Donnerstag mit einem lapidaren Aufruf zum politischen Dialog in Syrien geendet hatte. In einer Botschaft des Allgemeinen Führungsgremiums der Syrischen Revolution hieß es: Mehrere Teilnehmer des Gipfels hätten verhindert, dass bei dem Treffen über die Gräueltaten des Assad-Regimes berichtet wurde. Die Hauptschuld trage die irakische Regierung, die den Gipfel organisiert habe. Die Revolutionäre riefen die arabischen Staaten auf, nach ernsthaften Alternativen zu suchen, da Assad weder den Plan der Arabischen Liga für eine Lösung des Konflikts umgesetzt habe noch den Annan-Plan.

Protesthochburg Homs wieder unter Beschuss

Die syrische Artillerie hat am Freitag Oppositionsgruppen zufolge erneut Teile der Protesthochburg Homs unter Beschuss genommen. Soldaten der Regierung hätten wieder Häuser durchsucht. Landesweit seien in Gefechten mindestens sieben Menschen getötet worden. Den Vereinten Nationen zufolge haben die Einheiten Assads in dem seit einem Jahr anhaltenden Aufstand mindestens 9.000 Menschen getötet. Die Protestbewegung hatte für Freitag landesweit zu Demonstrationen aufgerufen. Das Motto der Proteste lautet: "Die Muslime und die Araber haben uns enttäuscht, aber Gott ist mit uns und mit unserem Willen werden wir den Sieg erringen."

Die Kirchengemeinden in Syrien haben wegen des blutigen Konflikts zwischen dem Regime und der Protestbewegung alle Prozessionen und Feiern zum Osterfest abgesagt. Die UNO-Kulturorganisation UNESCO sorgt sich wegen der Kämpfe in Syrien um das Kulturerbe des Landes. Generaldirektorin Irina Bokova (Bokowa) rief die Konfliktparteien am Freitag in einer Aussendung auf, den Schutz der außergewöhnlichen Kulturdenkmäler sicherzustellen, nachdem es Berichte über deren Gefährdung gegeben habe. Sechs Lokalitäten in Syrien zählt die UNESCO zum Weltkulturerbe, darunter die Überreste der antiken Oasenstadt Palmyra.

Bei einem Treffen der Freunde des syrischen Volkes, die einen Regimewechsel in Damaskus unterstützen, am Sonntag in Istanbul wollen rund 80 Staaten über Wege beraten, den Druck auf das Assad-Regime zu erhöhen. Die Außenminister Frankreichs, der USA und Großbritanniens und Deutschlands haben sich angekündigt. Annan wird fehlen. Österreich wird durch Außenamts-Staatssekretär Wolfgang Waldner (ÖVP) vertreten sein.