Drei Sachverständige haben sich am Mittwochvormittag in Wien-Währing bei einem Lokalaugenschein ein Bild von jenem Tatort gemacht, an dem ein 44-jähriger Banker seinem Stiefbruder in den Kopf geschossen hatte. Wie die Anwälte des Beschuldigten, der weiterhin in U-Haft sitzt, betonten, sprach der Verdächtige weiterhin davon, dass es sich bei der Schussabgabe um einen Unfall gehandelt habe.

Strafverteidiger Rudolf Mayer und Philipp Winkler wollen nun die Ergebnisse der Sachverständigen abwarten - diese sollen in zwei Wochen in schriftlicher Form fertiggestellt sein -, dann sollte klar sein, ob der 44-Jährige vorsätzlich erschossen hat oder ob sich versehentlich ein Schuss aus der Faustfeuerwaffe gelöst hat. Wenn die Sachverständigen die Unfallversion bekräftigen, werden die Anwälte einen Enthaftungsantrag stellen.

Die beiden Anwälte Rudolf Mayer und Philipp Winkler
Die beiden Anwälte Rudolf Mayer und Philipp Winkler © APA/Fohringer

Mehr als eine Stunde lang machten sich der Schießsachverständige Ingo Wieser, Gerichtsmediziner Christian Reiter sowie der chemische Sachverständige Reinhard Binder an Ort und Stelle in der Dachwohnung in der Wallrißstraße ein Bild von den Geschehnissen. Der Tatverdächtige, der leger in Jeans, Turnschuhen und grauem Pulli erschien und sein Gesicht hinter einem Tuch verbarg, stand hinter verschlossenen Türen Rede und Antwort. Der 44-Jährige gab laut Anwälten an, er habe seinem um zwei Jahre jüngeren Stiefbruder bei der Küchentheke im Wohnzimmer eine seiner beiden Waffen gezeigt, als sich unabsichtlich ein Schuss löste. Das Projektil drang dem 42-Jährigen in den Kopf. Der Schütze war zum Tatzeitpunkt alkoholisiert.

Sein Mandant habe das, woran er sich erinnern konnte, geschildert und dabei auch die Art und Weise gezeigt, wie er an dem Abend im September mit der Waffe hantiert hatte, sagte Anwalt Mayer. "Ich habe an seiner Reaktion gemerkt, dass er schwer geschockt war", meinte der Advokat. "Ich war froh, dass er die Tatrekonstruktion überstehen hatte können." Vor der Schussabgabe soll es laut Mayer keinen Streit gegeben haben.

Der Beschuldigte bangt derzeit um seinen Job als Banker, bis heute, Mittwoch, hatte es dazu ein Ultimatum gegeben, sagte Mayer. Der Beschuldigte hofft, dass der Arbeitgeber noch das Erstellen der schriftlichen Gutachten abwarten wird, denn der 44-Jährige will, sollte er enthaftet werden, die Kinder des Stiefbruders finanziell unterstützen. Bei dem Termin am Mittwoch waren auch zwei Privatbeteiligtenvertreter anwesend, die die Hinterbliebenen vertreten.

Mit der Tatwaffe hat es allerdings bereits zuvor einmal einen Vorfall gegeben, wie Mayer der APA bestätigte. Der 44-Jährige, der diese Glock-Pistole sowie einen Revolver besitzt, hat mit derselben Schusswaffe in der Wohnung schon einmal "irrtümlich abgedrückt", verletzt wurde dabei niemand, der 44-Jährige befand sich da alleine in den Räumlichkeiten.

Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen werden von der Korneuburger Anklagebehörde geführt. Da die Ex-Frau des beschuldigten Bankers bei der Staatsanwaltschaft Wien arbeitet, wollte man jeglichen Anschein einer möglichen Befangenheit vermeiden, weshalb der Fall nach Korneuburg delegiert wurde.