Der von Ex-ÖSV-Trainer Karl "Charly" Kahr gegen eine ehemalige Skirennläuferin und deren Ehemann am Bezirksgericht Bludenz geführte Prozess wegen übler Nachrede ist am späten Freitagabend auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Richterin Daniela Flatz wollte weitere Zeuginnen - mutmaßliche Missbrauchsopfer - hören, außerdem soll der Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Leoben eingeholt werden.

Zu klären ist in dem Prozess, ob WhatsApp-Nachrichten des Ehepaars an den ehemaligen Skistar Annemarie Moser-Pröll den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Der Mann hatte am Silvesterabend 2017 Moser-Pröll geschrieben, dass sie sich schämen solle, Kahr in Schutz zu nehmen. Kahr und Toni Sailer hätten "viele Mädchen missbraucht und gebrochen". Die Ex-Sportlerin schickte wiederum Moser-Pröll ein Foto von Kahr, versehen mit dem Text: "Dein Entjungferer Charly. Du warst noch keine 16 Jahre alt".

Der Ehemann schilderte in seiner Befragung in Medien schon kolportierte Übergriffe auf seine Frau aus den 1960er- und 70er-Jahren, von denen sie ihm mehrfach und wiederholt erzählt habe. Seinen Äußerungen zufolge habe Kahr seine Gattin zum Oralverkehr zwingen wollen und betrunken auch eine Vergewaltigung versucht. Seine Frau habe auch mitbekommen, wie Kahr mit Moser-Pröll Geschlechtsverkehr gehabt habe. Die ehemalige Skirennläuferin sagte aus, die damals 15-jährige Moser-Pröll wäre im Jänner 1969 bei Rennen in Frankreich ins Zimmer gekommen und habe ihr erzählt, Kahr habe sich soeben an ihr vergangen. Die sehr aufgewühlte Moser-Pröll hätte gemeint: "Es hat mir schon wehgetan".

Ehepaar: Kahr hat sich an sechs Frauen vergangen

Das Ehepaar sprach von insgesamt sechs Frauen, an denen sich Kahr vergangen haben soll - neben Moser-Pröll und der Beklagten auch an einer weiteren Teamkollegin, die anonym bleiben will aber schon bei der Staatsanwaltschaft Leoben ausgesagt hat. Außerdem gebe es noch mindestens drei weitere Opfer, die ihre Skikarrieren in ganz jungen Jahren nach den mutmaßlichen Übergriffen beendet hätten. Um wen es sich dabei handelt, wusste das Ehepaar nicht. Sie verwiesen auf einen deutschen Investigativjournalisten und auf Nikola Werdenigg, die deren Namen kennen würden.

Sowohl die ehemalige Skirennläuferin wie auch ihr Mann betonten, dass die Äußerungen Moser-Prölls in der Öffentlichkeit der Grund für die WhatsApp-Nachrichten gewesen seien. Die Nachrichten seien für niemand anderen als für Moser-Pröll bestimmt gewesen. "Es ist mir unerklärlich, dass sie sie in die Öffentlichkeit gebracht hat", stellte die ehemalige Teamkollegin von Moser-Pröll fest.

Kahr weist alles zurück

Kahr seinerseits wies bei seiner Befragung sämtliche gegen ihn erhobenen Anschuldigungen vehement zurück. Über die WhatsApp-Nachrichten sei er schockiert gewesen, immer wieder stellte er auf die Fragen der Richterin fest: "Das stimmt nicht". Er könne sich nicht erklären, weshalb die ehemalige Rennläuferin diese Vorwürfe erhebe. Der 85-Jährige betonte dezidiert, dass er "solche Dinge" nie getan habe - er habe in seinem Leben niemals jemanden vergewaltigt, noch sei er in Zimmer von Rennläuferinnen gegangen. Er habe nie Sex mit einem Mitglied des Damen-Skiteams gehabt, auch nicht nach seiner Zeit als Damen-Trainer. Grundsätzlich stellte Kahr fest: "Ich habe nicht auf so einem Niveau gelebt. Ich weiß nicht, wo das herkommt."

Ex-Skistar Annemarie Moser-Pröll verwies ebenfalls alle Vorwürfe von sexuellen Übergriffen im Damen-Skiteam der 1960er- und 70er-Jahre ins Reich der Unwahrheiten. Sie könne die Aussagen der Beklagten in keiner Weise nachvollziehen. "Das ist nicht mehr normal", zeigte sich Moser-Pröll entsetzt. Sie habe seit dem Erhalt der WhatsApp-Nachrichten schlaflose Nächte. Durch die WhatsApp-Nachrichten sei sie "in etwas gedrängt worden, von dem ich nichts weiß". Sie habe nie etwas von sexuellen Übergriffen mitbekommen. "Ich bin von Kahr weder sexuell belästigt, noch missbraucht, noch von ihm entjungfert worden", betonte sie. Die Aussage der Beklagten, wonach sie - Moser-Pröll - Kahr "geliebt" habe, relativierte Moser-Pröll. Den "Charly" hätten die jungen Rennfahrerinnen alle geliebt, weil er sie weitergebracht habe, "auf den sind alle abgefahren". Das sei aber nichts Amouröses gewesen. Auch Toni Sailer nahm sie dezidiert in Schutz. Er sei immer ein großes Vorbild gewesen, jetzt werde er dargestellt "wie der letzte Dreck".

Letztlich vertagte Richterin Flatz den Prozess nach einer Dauer von mehr als neun Stunden auf unbestimmte Zeit. Um den Wahrheitsbeweis des Vorwurfs in einer der WhatsApp-Nachrichten erbringen zu können - nämlich dass Kahr "viele Mädchen missbraucht und gebrochen" habe - müssten noch mindestens die drei Frauen gehört werden, die ihre Karriere in jungen Jahren aufgrund der Missbräuche aufgegeben haben sollen, so Flatz. Wie man an die Namen gelangen wird, war vorerst nicht sicher. Erst später will Flatz entscheiden, ob sie dem von Kahrs Anwalt Manfred Ainedter eingebrachten Antrag stattgeben wird. Ainedter will weitere Zeuginnen wie die ehemaligen Skirennläuferinnen Monika Kaserer und Brigitte Habersatter-Totschnig befragt wissen. Beklagten-Anwalt Martin Mennel wird seine Anträge schriftlich stellen.

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