Der Mann, der in der Nacht auf Montag mit einem Messer einen Wachsoldaten vor der Residenz des iranischen Botschafters in Wien-Hietzing attackiert hat und von diesem erschossen worden ist, hegte Sympathie für den politischen Islam. Das sagte die Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, am Dienstag. Es sei aber zu früh, daraus auf das Motiv zu schließen.

Die Auswertung des bei der Durchsuchung der Wohnung des Messerangreifers sichergestellten Materials werde noch ein paar Tage in Anspruch nehmen, sagte Kardeis bei einer Pressekonferenz. Es gehe in erster Linie darum, die "Social-Media-Kommunikation" des Mannes zu "filtern". Derzeit lasse sich sagen, dass "er eindeutig Sympathie für den politischen Islam hatte".

Das bestätigte auch der Wiener Polizeisprecher Harald Sörös unter Berufung auf die Ermittler des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Die Polizei wollte sich aber noch nicht darauf festlegen, ob diese Sympathie Rückschlüsse auf das Tatmotiv zulässt. Denn man fand zwar unter anderem auf seiner Facebook-Präsenz Material, das seine Affinität für den politischen Islam belegt. "Aber sein Facebook-Profil ist seit 2006 nicht mehr wirklich upgedatet worden", sagte Sörös.

Wurzeln in Ägypten

Bei dem Angreifer, Mohamed E. war ein gebürtiger Österreicher mit familiären Wurzeln in Ägypten, hat beim Bundesheer als Grundwehrdiener gedient. Er rückte als strenggläubiger Muslim bei der Garde in Wien ein sagte das Verteidigungsministerium auf APA-Anfrage am Dienstag. Derart strenggläubigen Muslime beim Bundesheer gibt es im Schnitt 30, so ein Sprecher. Diese dürfen fünf Mal am Tag beten, bekommen ein eigenes Essen, dürfen sich einen Bart wachsen lassen, dürfen die Gebetsräume nutzen und bekommen an islamischen Feiertagen dienstfrei.

Einschlägig aufgefallen ist Mohamed E. zuvor  nicht. Es gab bei ihm lediglich eine polizeiliche Auffälligkeit: Sein Name taucht bei einem Automaten-Einbruch im November 2017 auf. Es gab aber keine Verurteilung, offenbar auch keinen Prozess.

Botschafter besuchte Soldat

Unterdessen hat der iranische Botschafter in Wien, Ebadollah Molaei, den bei der Messerattacke verletzten Soldaten im Spital besucht, wie die iranische Vertretung in einer Pressemitteilung berichtete. Die Botschaft bedankte sich außerdem bei den Behörden und Sicherheitskräften "für deren raschen Einsatz am Tatort sowie für die gute Führung der Situation".

Wachsoldat erschoss Messerangreifer vor iranischer Residenz in Wien

"Ein terroristisches Motiv kann derzeit weder ausgeschlossen, noch bestätigt werden", sagte der Polizeisprecher. Das LVT habe eine eigene Gruppe für diese Ermittlungen abgestellt. Eine solche besteht üblicherweise aus fünf bis zehn Polizisten. Sie seien dabei, "das gesamte Umfeld zu durchleuchten, Handy- und E-Mailverläufe zu untersuchen, Freunde und Angehörige zu befragen, in der Wohnung gefundene Schriftstücke zu analysieren" sowie festzustellen, ob der Mann Kontakt zu bestimmten Glaubensgemeinschaften gehabt hat und ob sich in seinem Besitz einschlägiges Werkzeug oder Anleitungen befanden, sagte am Montag Polizeisprecher Harald Sörös. 

Bei einer in der Wohnung des Täters durchgeführten Hausdurchsuchung "konnten vorerst keine augenscheinlichen Hinweise vorgefunden werden, die auf ein konkretes Tatmotiv schließen lassen, jedoch wurden elektronische Datenträger sowie ein Handy und ein PC sichergestellt", berichtete die Polizei. Die Auswertung dieser Datenträger ist im Gange, die Ermittler erhoffen sich aus den Daten Rückschlüsse zum Motiv des 26-jährigen Tatverdächtigen. Die Sichtung kann unter Umständen mehrere Tage in Anspruch nehmen.

Doppelbewachung angeordnet

Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) hat Montagnachmittag für die von Bundesheersoldaten bewachten diplomatischen Objekte bis auf weiteres eine doppelte Besetzung angeordnet. Während der nächsten 72 Stunden sollen nach einer Messerattacke auf einen Soldaten vor der iranischen Botschaft in Wien-Hietzing statt einem nunmehr zwei Wachposten im Einsatz sein, sagte ein Sprecher.

Der Generalstab habe zudem den Auftrag erhalten, den seit August 2016 laufenden Assistenzeinsatz, mit dem das Heer die Polizei beim Objektschutz unterstützt, zu evaluieren, sagte Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums. Das Ziel sei auszuloten, ob noch Verbesserungen bezüglich der Sicherheit der eingesetzten Soldaten, etwa in Bezug auf deren Ausrüstung, möglich seien.

"Wir wollen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, nachdem ein Soldat fast gestorben wäre. Deswegen wird der Fall genau angeschaut", betonte der Sprecher. Der Vorfall werde vor allem hinsichtlich der Frage analysiert, ob der attackierte Wachposten optimal vorbereitet und ausgerüstet war. Es sei etwa denkbar, die Einsatzkräfte künftig auch mit Kugelschutzwesten oder Helmen auszustatten. Er wolle der Analyse des Generalstabs, deren Ergebnis in den nächsten Tagen vorliegen soll, aber nicht vorgreifen.

Botschafter war in Villa

Der iranische Botschafter hatte sich zum Tatzeitpunkt mit seiner Frau und zwei Kindern in der Villa Blaimschein aufgehalten, bestätigte Sörös. "Auf die bilateralen Beziehungen hat dieser Vorfall keine Auswirkungen", teilte der Gesandte Thomas Schnöll, Sprecher des Außenministeriums, der APA auf Anfrage mit. Der vor der Residenz in den Wenzgasse 2 postierte Berufssoldat (23) trug eine Schnittverletzung am rechten Oberarm davon sowie einen schweren Schock. Dass es für ihn nicht schlimmer ausging, sei nur dem Umstand zu verdanken, dass er eine Stichschutzweste trug, sagte der Polizeisprecher: "Ohne diesen Schutz wäre er tot gewesen, hundertprozentig."

Zum Ablauf der Tat gab die Polizei Montagfrüh bekannt, der Soldat habe gegen 23.30 Uhr "plötzlich einen verdächtigen Mann im Nahbereich der Residenz" wahrgenommen. Der Mann sei wenige Momente später auf ihn zugekommen, "zog ein Messer aus dem Inneren seiner Jacke und attackierte den Soldaten". Der 23-jährige gebürtige Tiroler wich zurück und versuchte, den Angreifer mit Pfefferspray außer Gefecht zu setzen, erst als das keine Wirkung zeigte, habe er zur Waffe gegriffen.

Alles richtig gemacht

Der Berufssoldat habe damit "aus jetziger Sicht alles richtig gemacht", nämlich zunächst mit dem Pfefferspray das gelindeste Mittel eingesetzt, hieß es seitens des Sprechers des Verteidigungsministeriums, Michael Bauer.  "Angreifer und Soldat kamen gemeinsam zu Sturz, wobei der Tatverdächtige - wie sich auch bei der ersten Sichtung einer Videoauswertung bestätigte - unentwegt auf den Soldaten einstach", sagte Sörös. Der Soldat feuerte schließlich zumindest vier Schüsse aus seiner Glock 17 ab. Der Angreifer starb am Tatort. Das Messer wurde sichergestellt. 

Der Soldat befand sich weiterhin in Spitalsbehandlung. Er hat laut Bauer eine leichte Verletzung am Oberarm erlitten. Der 23-Jährige sei nach dem Angriff und dem Waffengebrauch "psychologisch natürlich entsprechend herausgefordert. Der heerespsychologische Dienst war bei ihm, er wird betreut", sagte der Sprecher. Routinemäßig werde wohl eine interne Untersuchungskommission eingesetzt, wie nach Schusswaffengebrauch im Dienst üblich. Die Ermittlungen obliegen aber einzig der Polizei.