In den Pflichtschulen der Bundeshauptstadt sind muslime Schüler bereits in der Mehrheit. Katholiken sind nur noch auf Platz zwei. Die drittgrößte Gruppe sind die Schüler ohne Religionsbekenntnis, zeigen aktuelle Zahlen, berichtet der Kurier.

In der steirischen Landeshauptstadt zeigen die im vorigen Schuljahr erhobenen Zahlen (jene fürs aktuelle werden erst erhoben), dass auch hier der Anteil muslimischer Schüler in den Pflichtschulen in den letzten Jahren stark gestiegen ist.

Jeder dritte Neue-Mittelschüler in Graz muslimisch

So beträgt an Grazer Volksschulen der Anteil der Kinder mit islamischem Unterricht rund 25 Prozent. Mehr als die Hälfte der Kinder sind für römisch-katholischen Unterricht angemeldet, für den evangelischen sind es nur rund sieben Prozent. An den Neuen Mittelschulen der Landeshauptstadt sitzen gut ein Drittel Muslime, rund 42 Prozent Katholiken und drei Prozent Protestanten im Religionsunterricht.

Hingegen liegt in der restlichen Steiermark der Anteil der Muslime in Volksschulen nur zwischen 0,86 in Deutschlandsberg bis etwa zehn Prozent im Bezirk Liezen. Es zeigt sich also ein klares "Stadt-land-Gefälle".

Klares Stadt-Land-Gefälle.
Klares Stadt-Land-Gefälle. © Kleine Zeitung Grafik

Von einer „Islamisierung“ könne man in der Steiermark angesichts dieser Statistik freilich nicht reden, sagte der Schulamtsleiter der Diözese Graz-Seckau, Walter Prügger, der für die 900 katholischen Religionslehrer zuständig ist Anfang des Jahres zur Kleinen Zeitung. Es gebe in der Landeshauptstadt rechts der Mur eben Schulstandorte, wo für fünf bis sieben unterschiedliche Konfessionen Religionsunterricht stattfinde. „Und hier planen wir schon Projekte und wollen gemeinsam Neuland beschreiten.“

Nach dem Vorbild Wien will man gemeinsame Unterrichtsprojekte starten: Religionslehrer und Kinder verschiedener Glaubenrichtungen sollen gemeinsam arbeiten und einander kennenlernen. Ali Kurtgöz, der für 50 Pädagogen zuständigen Fachinspektor für islamischen Religionsunterricht an Pflichtschulen, signalisierte Sympathie für die Pläne. Auch gegenseitige Moscheen- und Kirchenbesuche seien Thema: „Die Kinder sollen mehr über die jeweils andere Religion erfahren.“

Diskussion um Ethik-Unterricht neu entfacht

Die Wiener Zahlen sorgen einmal mehr dafür, dass eine Plattform aus Politikern und Experten die flächendeckende Einführung des Ethikunterrichts fordert. Trotz guter Erfahrungen mit Schulversuchen sei seit Jahren nichts unternommen worden, kritisierten Eytan Reif von der Initiative Religion ist Privatsache, der auch für die Liste Pilz kandidiert, Grünen-Bildungssprecher Harald Walser sowie die Wissenschafter Heinz Mayer und Anton Bucher.

Vom Religionsunterricht abgemeldete Schüler haben derzeit ohne Schulversuch eine Freistunde. In Schulen mit Schulversuch müssen sie dagegen verpflichtend am Ethikunterricht teilnehmen - was tendenziell die Attraktivität der Abmeldung vom Religionsunterricht einschränkt.

Evaluation durchgeführt

Zwar gibt es nach wie vor feine Unterschiede in den Forderungen. Die etlichen Schulversuche, die seit 20 Jahren unternommen werden, sollen aber endlich allgemein greifen, forderten die Organisatoren einer Pressekonferenz am Dienstag. Ein Fach "Ethik und Religionen" schwebt dabei Bucher, der an der Universität Salzburg lehrt, vor. Der Religionspädagoge und Erziehungswissenschaftler hat bereits 2001 eine vom Bildungsministerium in Auftrag gegebene Evaluation der Schulversuche durchgeführt.

Seitdem sei so gut wie nichts geschehen, bedauerte auch Verfassungsrechtler Mayer "die traurige Geschichte des Ethik-Unterrichts". Seine Befürchtung: Mündige und kritische Bürger seien der "politischen Herrschaft unangenehme Partner". Heranwachsende sollten sich nicht mit einfachen Antworten begnügen. Werterelativismus gehöre etwa den Lehren monotheistischer Religionen, die potenziell autoritäre Strukturen berücksichtigten, gegenübergestellt.

"Religionsunterricht nicht in die Hinterhöfe verlagern"

Auch Walser fordert die baldige Einführung eines Ethikunterrichts, auch wenn es weiterhin konfessionellen Religionsunterricht auf freiwilliger Basis geben solle, denn: "Wir dürfen den Religionsunterricht nicht in die Hinterhöfe verlagern." Vor allem in Zeiten politischer Agitation mit oder auch durch den Islam sei der Bedarf umso größer. "Da haben wir Handlungsbedarf", so der Grüne. Eltern und Lehrer würden das Thema zudem viel pragmatischer sehen als die Politik.

Laut Reif von der Initiative Religion ist Privatsache ist der derzeit praktizierte Religionsunterricht - mit Möglichkeit zur Abmeldung - "historisch gewachsen, aber unredlich". Es gehe auch nicht darum, Wissen über Religionen nicht zu vermitteln, sondern auch Gegenthesen zu vermitteln. Für Reif gehört auch das Lehrpersonal strikt getrennt: "Entweder Ethik oder Religion, aber nicht beides", meint er. Selbst trennt er den Auftritt mit Walser von seinem Engagement für die Liste Pilz, wie er betonte.