Nach dem Mordprozess gegen den Wiener Banker, der am Ende wegen grob fahrlässiger Tötung seines Stiefbruders zu einem Jahr unbedingter Haft verurteilt wurde und der sich seit Mittwochabend wieder auf freiem Fuß befindet, gibt es Diskussionen um seine Ex-Frau. Das Justizministerium lässt die Vorgangsweise der Wiener Staatsanwältin im Weg der Dienstaufsicht überprüfen.

Aussage entschlagen und Interview geführt

Die Staatsanwältin hatte in dem Verfahren insofern eine Rolle gespielt, als sie als Motiv für die Schussabgabe vermutet wurde, die Eric J. (42) das Leben kostete. Die Staatsanwältin war bis Jänner 2015 mit dem 45-jährigen Banker verheiratet und soll sich auch mit seinem jüngeren Stiefbruder sehr gut verstanden haben. Eric J. ließ ihr anzügliche Nachrichten zukommen, von denen ihr Ex-Mann Wind bekommen haben und - so die ursprüngliche Vermutung - aus Eifersucht zur Pistole gegriffen haben könnte. Der 45-Jährige liebt eigenen Angaben zufolge seine Ex-Frau bis zum heutigen Tag.

Die Staatsanwältin hatte sich während des Ermittlungsverfahrens als Zeugin der Aussage entschlagen, was ihr als früherer Ehefrau auch zusteht. Zwei Tage vor dem Mordprozess gab sie allerdings der Zeitschrift "News" ein Interview, in dem sie sich - wörtlich - überzeugt gab, "dass es ein Unfall war". Die anzüglichen Textnachrichten des Getöteten tat sie als "einseitige Konversation" ab, sie könne sich "nicht vorstellen, dass mein Ex-Mann irgendwie eifersüchtig geworden wäre".

Keine Ermittlungen nach Suchtmittelgesetz

Dass unmittelbar vor der Hauptverhandlung das Interview verbreitet wurde, das die Staatsanwältin nicht mit ihren vorgesetzten Stellen abgesprochen hatte, sei "natürlich irritierend", räumte Christian Pilnacek, Strafrechts-Sektionschef im Justizministerium, am Donnerstag gegenüber der APA ein. Man werde sich das "im Dienstaufsichtsweg anschauen", kündigte Pilnacek an. Im Landesgericht Korneuburg hatte die Staatsanwältin dann übrigens als Zeugin ausgesagt, aber - nachdem sich zahlreiche "News"-Leser ihr Interview zu Gemüte geführt hatten - den Schutz ihres höchstpersönlichen Lebensbereichs geltend gemacht. Darauf wurde während ihrer Befragung die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Wenige Stunden, bevor Eric J. erschossen wurde, hatte die Staatsanwältin eine SMS von ihrem Ex-Mann bekommen, der sie ebenfalls für den 18. September 2015 zum Grillen eingeladen hatte. Der 45-jährige Banker wollte wissen, ob sie noch komme, und bat die Staatsanwältin außerdem, "Gras" und eine Flasche Wein mitbringen. Die Frage, ob die Anklägerin damals über Suchtmittel verfügte bzw. Cannabis besorgen hätte können, wurde nicht näher geprüft. "Es hat keinen Anfangsverdacht gegeben. Dass man so etwas schreibt, kann ja tausend Gründe haben", sagte dazu Friedrich Köhl, Pressesprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Korneuburg. Gegen die Staatsanwältin wurden daher keine Ermittlungen nach dem Suchtmittelgesetz eingeleitet, zumal die Staatsanwältin entgegen ihrer ursprünglichen Zusage nicht mehr bei ihrem Ex-Mann vorbeischaute. "Sie hat nachweislich kein Gift hingebracht", bemerkte Köhl gegenüber der APA.