Großteils nicht geständig haben sich beim ersten Prozesstag vor einer Woche neun Flüchtlinge aus dem Irak gezeigt, die in der Nacht auf den 1. Jänner 2016 in Wien eine junge Deutsche in eine Wohnung im zweiten Bezirk gebracht und sich dort allesamt an ihr vergangen haben sollen. Der Prozess wegen sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person und Vergewaltigung im Landesgericht für Strafsachen ist auf mehrere Tage anberaumt und wird heute fortgesetzt.

Mit einer Ausnahme leugneten am ersten Prozesstag vor einer Woche die irakischen Flüchtlinge die ihnen angelastete Straftat. Einer bestritt, überhaupt in der Wohnung gewesen zu sein. Der Älteste von ihnen erklärte, er habe geschlafen, in der Früh die Frau wahrgenommen und ihr lediglich beim Aufstehen geholfen. Einige räumten ein, mit der 28-Jährigen Sex gehabt zu haben. Das sei aber von der Frau ausgegangen.

"Signale im Rausch gesetzt"

So behauptete ein 22-Jähriger, sie habe ihn in der Wohnung in der Rustenschacherallee umarmt, geküsst und seinen Kopf nach unten gedrückt, als er ihrem Wunsch nach Sex nicht entsprach. "Ich habe zu keinem Zeitpunkt wahrgenommen, dass sie die sexuellen Handlungen nicht möchte", meinte der Mann. Sein Verteidiger vermutete, die Frau habe womöglich "unbewusst im Rausch Signale gesetzt".

Erste Einvernahmen im Prozess um Gruppenvergewaltigung in Wien

Der mit 48 Jahren älteste Angeklagte wäre seiner Verantwortung zu folge zu krank für geschlechtliche Handlungen gewesen. "Er ist Diabetiker und herzleidend. Er wurde in der Haft operiert und hat einen Bypass bekommen", machte sein Rechtsbeistand geltend. Dass am Hals der 28-Jährigen DNA-Spuren des um 20 Jahre älteren, ihr völlig fremden Mannes gefunden wurde, erklärte der Anwalt folgendermaßen: "Die hat sich richtig drauf g'haut auf ihn." Der 48-Jährige habe ihr lediglich beim Gang auf die Toilette behilflich sein wollen.

Ein Iraker legte Geständnis ab

Einer der Iraker legte allerdings eine Art Geständnis ab, nachdem sein Verteidiger Michael Schnarch erklärt hatte: "Es ist eine furchtbare Tat. Es ist gut, dass es eine Aufklärung gibt." Der 31-Jährige schilderte zunächst, wie er mit drei weiteren Angeklagten die Frau vor dem Lokal in der Innenstadt angetroffen hatte: "Sie muss stark betrunken gewesen sein, weil sie am Boden gelegen ist und nicht in der Lage war, allein aufzustehen." Jener Bekannte, der gar nicht in der Wohnung gewesen sein will, habe dann entschieden: "Wir nehmen sie mit." Es sei klar gewesen, dass besagter Bekannter auf Sex aus war.

"Die Dame hat sich überhaupt nicht geäußert. Sie hat sich eingehängt", beschrieb der 31-Jährige, wie die Frau weggebracht wurde. Per Straßenbahn fuhren die vier Iraker mit der Deutschen in die Leopoldstadt. Den Angaben des 31-Jährigen zufolge hatten dort zunächst drei Männer hintereinander mit ihr Sex. "Er kam heraus, war fröhlich, hat gesungen und getanzt", beschrieb der 31-Jährige die Reaktion eines von ihnen nach dem Verlassen des Zimmers, in dem sich die Betroffene befand.

Auch im Irak verboten

"Ich war der Vierte", gab der 31-Jährige weiter zu Protokoll. Er habe "keine Gewalt angewendet. Was ich genau mit ihr gemacht habe, darüber will ich nicht reden." Nach einer kurzen Pause stellte der Mann fest: "Die Tat ist nicht nur in Österreich, sondern auch im Irak verboten und ehrenrührig. Ich bereue die Tat zutiefst. Wenn ich nicht betrunken gewesen wäre, hätte ich es nicht gemacht." Darauf begann der 31-Jährige zu schluchzen: "Ich schäme mich sehr stark. Auch vor meiner Familie."

Wer nach ihm zu der Frau ins Zimmer ging, wusste der Mann nicht mehr. "Wir alle haben einen großen Fehler gemacht. Aber ich sage es ganz offen und ehrlich, es hat sie (die Betroffene, Anm.) niemand gezwungen oder daran gehindert, die Wohnung zu verlassen", hielt der 31-Jährige abschließend fest.

Brachten Opfer in Wohnung

Die 28-jährige Frau war nach Wien gekommen, um gemeinsam mit einer hier lebenden Freundin Silvester zu feiern. Am 31. Dezember machten sie sich gegen 23 Uhr auf den Weg zum Silvesterpfad, wo sie den Jahreswechsel begingen. Stunden später begegneten vier Angeklagte, die ebenfalls in der Innenstadt feierten, der angeschlagenen Frau vor einem Lokal - sie war nicht mehr ansprechbar, da sie einem Gutachten zufolge zu diesem Zeitpunkt mehr als zwei Promille Alkohol im Blut gehabt haben dürfte.

Diesen Umstand nutzten die Iraker aus, indem sie das hilflose Opfer in die Wohnung eines Landsmannes in der Rustenschacherallee in der Leopoldstadt brachten. Mehrere männliche Familienmitglieder sollen bereits auf das Opfer gewartet haben, die weiblichen Angehörigen wurden aus der Wohnung ausquartiert, damit die Männer bei ihrer grausamen Tat ungestört sein konnten, so der Staatsanwalt. "Ein grausamer Entschluss", stellte Staatsanwältin Karina Fehringer fest. Es sei den Männern von Anfang an um Sex gegangen.

Mehrfach vergewaltigt

Der Anklage zufolge entkleideten sie die junge Frau in einem Raum, in dem sechs Betten standen, legten sie auf ein Schlafsofa und vergingen sich abwechselnd an ihr, manche von ihnen mehrfach. Im kleineren Raum der Zwei-Zimmer-Wohnung fielen alle neun anwesenden Männer im Alter zwischen 22 und 48 Jahren - acht sind miteinander verwandt oder verschwägert - nacheinander über die Frau her und missbrauchten sie. Die Betroffene war laut Staatsanwältin in einem "bewusstlosen, schreckstarren Zustand" und daher außerstande, sich zu Wehr zu setzen. "Sie erwacht in einem fremden Zimmer. Sie liegt in einem Doppelbett, über sie gebeugt ein Mann, den sie noch nie vorher gesehen hat", beschrieb Fehringer das Grauen, das die 28-Jährige über sich ergehen lassen musste.

Ungeschützter Verkehr

Sämtliche Männer - darunter ein 22-Jähriger und sein verheirateter Vater - sollen ungeschützt und teilweise mehrmals mit der jungen Frau verkehrt haben. Ein 31-Jähriger - verheiratet und Vater eines minderjährigen Kindes - fertigte von sich und der verschreckten, aufgelösten 28-Jährigen mit seinem Smartphone auch noch ein Selfie an, ehe er sie wieder anzog und sie bei einer nahegelegenen Straßenbahnstation aussetzten. An der Haltestelle wurden weitere Selfies gemacht.

Opfer fiel Fahrgästen auf

Die 28-Jährige, die schließlich in einen Bus einstieg, fiel anderen Fahrgästen auf, weil sie weinte und sich in einem bedauernswerten Zustand befand. Sie brachten sie in ein Hotel am Schwedenplatz, wo der Portier die Polizei verständigte. Die Männer konnten in weiterer Folge dank einer Ortungs-App ausgeforscht werden. Indem man feststellte, wo das Handy der Frau im gegenständlichen Zeitraum eingeloggt war, ließ sich rekonstruieren, in welcher Wohnung sich die inkriminierten Handlungen abgespielt haben dürften. Von den verdächtigen Männern wurden Mundhöhlenabstriche genommen. In vier Fällen passten diese zu sichergestellten Spermaspuren, in zwei weiteren Fällen zu Speichelspuren.

Schwere Körperverletzung

Die junge Deutsche musste im August in stationäre Behandlung in eine psychiatrische Klinik aufgenommen werden, nachdem sich bei ihr eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt hatte. Die Frau leidet an Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen, Schuld - und Schamgefühlen. Ein von der Justiz eingeholtes Gutachten hat ergeben, dass diese Folgen einer schweren Körperverletzung gleichzusetzen sind.

"Wenn Sie sich fragen, wie es ihr heute geht: sehr schlecht", wandte sich der Rechtsvertreter der 28-jährigen, Lian Kanzler (Kanzlei Plaz), direkt an die im Gerichtssaal anwesenden Medienvertreter. Schuld daran sei ein kurz vor Prozessbeginn in der "Kronen Zeitung" erschienener Artikel, in dem ohne ihr Wissen oder gar Einverständnis identifizierend über die Frau berichtet wurde. "Sie hat einen Zusammenbruch erlitten und musste medikamentös behandelt werden", betonte Kanzler, der in dem Verfahren die Interessen der Betroffenen vertritt.

Kontradiktorische Einvernahme

Die Frau war im Vorfeld kontradiktorisch befragt worden und muss daher nicht mehr persönlich als Zeugin erscheinen. Kanzler forderte von den Medien ein "Mindestmaß an Respekt" ein, die Rechte der 28-Jährigen - darunter jenes auf eine nicht erkennbare Berichterstattung - müssten gewahrt werden. Die Berichterstattung der "Kronen Zeitung" veranlasste Kanzler zur abschließenden Feststellung: "Das ist nicht nur eine Riesensauerei. Es gehört verboten. Dazu hat niemand ein Recht. Nicht ein mal die größte Tageszeitung des Landes."

Verhandlung auf Donnerstag vertagt

Nach der Befragung von drei Angeklagten wurde die Verhandlung vertagt. Dann sollen die restlichen sechs vernommen werden. Die Urteile sind für 2. März geplant.