Mit einem Mordanschlag, der einen 13 Jahren alten, völlig unbeteiligten Buben um ein Haar das Leben gekostet hätte, muss sich ab heutigen Mittwoch ein Wiener Schwurgericht auseinandersetzen. Angeklagt ist ein 37-jähriger Serbe, der am 5. Juli 2015 in der Brigittenau ein Schussattentat auf einen in der Bundeshauptstadt lebenden Landsmann verübt haben soll.

Mann lief in Badeschlapfen davon

Es war ein sonniger Sonntagvormittag, als Aleksandar A. um 11.00 Uhr eine Bäckerei in der Pasettistraße betrat. Als er das Geschäft verließ, bemerkte er einen Unbekannten, der offenbar draußen auf ihn gewartet hatte, jetzt zielgerichtet auf ihn zukam, plötzlich eine Pistole zückte und auf ihn anlegte. Der 36-Jährige reagierte geistesgegenwärtig. Obwohl er nur Badeschlapfen trug, lief er im Zickzack davon.

Der Unbekannte verfolgte den Flüchtenden und gab mehrere Schüsse ab, wovon einer - wie später ein Ballistiker feststellte - nur knapp den Kopf des 36-Jährigen verfehlte. Ein Projektil traf Aleksandar A. im Gesäß. Getroffen wurde allerdings auch ein 13 Jahre alter Bub, der gemeinsam mit seinem Vater einen Radausflug unternehmen wollte, als ihnen auf der Pasettistraße Opfer und Schütze entgegen gelaufen kamen. Der Vater rief seinem Sohn noch zu, er solle sich ducken, als er die Schüsse wahrnahm. Zu spät, eine Kugel drang dem Buben in den Bauch.

Der lebensgefährlich verletzte Schüler konnte "nur aufgrund sofortiger ärztlicher Hilfe gerettet werden", wie in der Anklageschrift ausdrücklich festgestellt wird. Er wurde rasch ins Spital gebracht und dort notoperiert.

Fehde in der serbischen Unterwelt

Hintergrund der Schießerei dürfte eine Fehde in der serbischen Unterwelt gewesen sein. Aleksandar A. bzw. dessen Familie soll jemandem einen größeren Geldbetrag geschuldet haben. Weil die Forderungen nicht einbringlich waren, soll schließlich ein 37-jähriger Mann, der sich nun wegen zweifachen Mordversuchs vor Geschworenen verantworten muss, losgeschickt worden sein, um auf A. zu schießen.

Der Angeklagte bestreitet, am Tatort gewesen zu sein und etwas mit dem inkriminierten Anschlag zu tun gehabt zu haben. Es steht allerdings fest, dass er einen Tag vor den Schüssen mit einem Wagen mit Belgrader Kennzeichen aus Serbien nach Wien gekommen war und noch am 5. Juli mit demselben Fahrzeug zurückkehrte. Nachdem es Ermittlern des Landeskriminalamtes Wien gelungen war, die Identität des mutmaßlichen Schützen zu klären, wurde der 37-Jährige Anfang Dezember an der serbisch-mazedonischen Grenze festgenommen. Die mazedonischen Behörden bewilligten seine Auslieferung an die Wiener Justiz, seither sitzt er im Landesgerichtlichen Gefangenenhaus in U-Haft.

Die Verhandlung, die Richter Andreas Böhm leiten wird, ist auf zwei Tage anberaumt. Drei Sachverständige - eine Gerichtsmedizinerin, ein Chemiker und ein Ballistiker - sind geladen, als Zeugen sind neben dem 13-Jährigen und seinem Vater weitere Augenzeugen der Schießerei vorgesehen. Das Urteil soll am 17. November fallen.