"Die Tat gehört verurteilt, aber nicht die Jugendlichen selber", sagte die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits am Montag über ein Gewaltvideo, das seit mehreren Tagen im Internet kursiert. Darin ist ein Mädchen zu sehen, das von mehreren Gleichaltrigen brutal geschlagen wird. Das Video wurde auf Facebook sehr schnell verbreitet, das sieht die Expertin problematisch.

Auf dem Video ist die 15-Jährige zu sehen, wie sie ohne Gegenwehr die Attacken der Jugendlichen über sich ergehen lässt. "Es könnte sich durchaus um ein Aufnahmeritual handeln, weil sie sich nicht gewehrt hat. Es kann aber auch sein, dass sie sich gedacht hat, wenn ich gerade stehen bleibe, dann wird die Gewalt nicht schlimmer", sagte Pinterits. "Die Tat ist aber die gleiche, es bleibt gleich schlimm. Es ist eine Jugendliche, die im Netz von anderen Jugendlichen geschlagen und gedemütigt wird."

Einen Grund für die Tat zu benennen sei schwierig. "Der Hintergrund kann vieles sein: Armut, Zorn auf andere Kids, denen es besser geht, eigene Gewalterfahrungen, sich nicht geliebt fühlen. Das sind Menschen, die kein Selbstwertgefühl haben. Diese brauchen Unterstützung", sagte Pinterits. "Das ist immer ein Schrei nach Aufmerksamkeit. Dieser Kick 'Ich bin berühmt, ich habe was geschafft', ist in dem Moment so groß, dass die Konsequenzen für die Jugendlichen nicht so wichtig sind."

Aufmerksamkeit gering halten

Die schnelle Verbreitung des Videos auf den sozialen Netzwerken sieht die Jugendanwältin als Problem. Dieser Meinung ist auch Thorsten Behrens von Safer Internet. Die Initiative unterstützt Kinder und Jugendliche bei einem verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien. "Unsere Empfehlung ist immer, es nicht noch mehr zu teilen, die Aufmerksamkeit für das Video möglichst gering zu halten. Weil das könnte Nachahmer animieren", sagte Behrens gegenüber der APA. Das Video wurde bis Montag mehr als drei Millionen mal angesehen. "Wenn man will, dass es schnell verschwindet, dann müssen so viele wie möglich das Video bei Facebook melden. Je öfter es gemeldet wird, desto eher wird Facebook das Video löschen", sagte Behrens. "Das Problem ist, dass das Video in erster Linie nicht gegen die Nutzungsbedingungen widerspricht."

Er rät Usern dazu, nicht nur das Video sondern auch die Hasspostings zu melden und gegebenenfalls auch dagegen zu reden. Für die Jugendanwältin sind Erwachsene in sozialen Netzwerken kein gutes Vorbild, da diese selbst Hasspostings verfassen. "Jugendliche sind der Spiegel unserer Gesellschaft." Pinterits rät Eltern, sich vermehrt mit sozialen Netzwerken auseinanderzusetzen, auf denen sich ihre Kinder aufhalten. Die Expertin hält ein Antigewalt-Training oder einen außergerichtlichen Tatausgleich für die jugendlichen Täter für eine gute Lösung.

In letzter Zeit gab es laut den Experten nicht viele solcher Fälle. "Vor zwei Jahren war das ein ganz großes Thema. Solche Wellen gibt es immer wieder, seit es über Smartphones so schnell verbreitet werden kann", sagte Behrens.