Ein 15-jähriges Mädchen ist vergangene Woche in Wien-Donaustadt von mehreren Gleichaltrigen brutal geschlagen, beschimpft und verhöhnt worden. Die Jugendlichen filmten die Tat, ein Video verbreitete sich auf Facebook. Dieses wurde bis Montag mehr als drei Millionen mal angesehen. Schockiert über eine "Verrohung der Gesellschaft" zeigte sich auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ).

Opfer erlitt einen Kieferbruch

Das Opfer, eine 15-jährige Niederösterreicherin, hatte einen Kieferbruch erlitten und war operiert worden. In einem Facebook-Posting am Dienstagnachmittag schrieb sie, dass sie das Krankenhaus verlassen hatte. Die Polizei forschte alle Angreifer - eine 15-jährige amtsbekannte Niederösterreicherin, eine 16-Jährige aus Ecuador, die im Bezirk Gänserndorf lebt, eine 16-jährige Wienerin sowie einen 16-jährigen Tschetschenen, der in Wien wohnt -, aus. Alle vier wurden wegen schwerer Körperverletzung angezeigt.

Die Tat wurde vergangenen Mittwoch in der Siebeckstraße in der Donaustadt verübt. Laut Polizei waren nichtige Meinungsverschiedenheiten das Motiv. Auf dem Video ist die 15-Jährige zu sehen, wie sie ohne Gegenwehr die Attacken der Jugendlichen über sich ergehen lässt. Zuerst wird sie von den drei Mädchen heftig geohrfeigt, zum Schluss schlägt der Bursch ihr mehrmals ins Gesicht. Das Opfer spuckte wiederholt Blut. Nicht im Video ersichtlich ist, dass hinter den Angreifern in einem Halbkreis noch weitere Jugendliche standen, weshalb die 15-Jährige nicht fliehen konnte. "Das Mädchen hatte wirklich Angst. Sie hat in ihrer Einvernahme gesagt, dass sie das über sich ergehen ließ, in der Hoffnung, dass es gleich vorbei ist", berichtete Polizeisprecher Thomas Keiblinger. Nach den Übergriffen ging sie nach Hause. Ihr Stiefvater brachte sie ins Krankenhaus, ihre Schwester erstattete Anzeige.

Die Verdächtigen wurden am Montag einvernommen. Dabei lieferten sie lediglich "fadenscheinige Begründungen für ihr eigenes Tun", sagte Keiblinger. Opfer und Täter kannten sich flüchtig, es gab Überschneidungen mit verschiedenen Freundeskreisen. Eine der Haupttäterinnen ist bereits amtsbekannt. Die 16-Jährige lebt in einer Sozialeinrichtung für Jugendliche in Niederösterreich. Sie soll am 3. November eine ähnliche Tat begangen haben, eine Gleichaltrige niedergeschlagen und mit dem Umbringen bedroht haben. Ein Sozialarbeiter eines Jugendzentrums im Bezirk Tulln hatte die Tat gesehen und die Polizei verständigt, berichtete Keiblinger. Die 16-Jährige wurde neben Körperverletzung auch wegen Nötigung und gefährlicher Drohung angezeigt.

"Druck auf Facebook zu groß"

Den Übergriff im Bezirksteil Kagran hatten die Jugendlichen selbst gefilmt und untereinander geteilt, etwa in Whatsapp-Gruppen. Vergangenen Donnerstag wurde das knapp drei Minuten lange Video dann auf Facebook gestellt. Bis zum Montagnachmittag wurde es mehr als 30.000 mal allein auf Facebook geteilt und mehr als 21.000 mal kommentiert.

Der männliche Angreifer, der 16-jährige Tschetschene, hatte sich am Wochenende selbst der Polizei gestellt. "Ihm wurde der Druck auf Facebook zu groß", schilderte Keiblinger. So hatten Nutzer des sozialen Netzwerks beispielsweise auch die Namen und Telefonnummern der Angreifer in den Kommentaren unter dem Video veröffentlicht.

Der Clip schockte die Community. Auch zahlreiche Hasspostings und Drohungen gegen die Täter finden sich in den Kommentaren. "Wir sind schockiert von der Gewalt dieser jungen Menschen im Video und wir verstehen die Entrüstung auf Facebook. Aber wir weisen darauf hin, dass man sich jetzt durch Kommentare auf Facebook nicht strafbar machen soll", sagte Keiblinger zur APA. "Wir sichern das Material, fertigen Screenshots an und beurteilten das strafrechtlich", erklärte der Polizeisprecher.

Kanzler zeigt sich schockiert

Schockiert zeigte sich am Montag auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). "Eine derartige Verrohung der Gesellschaft dürfen wir nicht akzeptieren. Solche Bilder und Taten, egal von wem begangen, wollen und werden wir in Österreich nicht zulassen. Die Täter werden ihrer Strafe nicht entgehen", postete der Kanzler auf seiner Facebook-Seite.

FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache zeigte sich auf seiner Facebook-Seite sprachlos. "Ich bin fassungslos, entsetzt und angewidert", schrieb der Bundesparteichef. "Wer bitte bringt jungen Menschen bei, einem Mädchen in einer erbärmlichen Handykamerainszenierung den Kiefer zu brechen?", fragte Strache.