In Afrika soll es den Ritus alter Stämme geben, wo zur Beschwörung der Verstorbenen die Knochenreste der Urahnen in Blechschüsseln gerüttelt werden, wieder und wieder, ehe in stundenlangen, tranceartigen Tänzen die Reliquie unter Gesängen umkreist wird.
An diesen archaischen Totenkult erinnert das rückwärtsgewandte Kärntner Gezerre um die Landesverfassung: ein schauriger, nekrophiler Voodoo-Zauber, der einen als Stammesangehörigen konsterniert und beklommen zurücklässt.

Man hätte es nicht für möglich gehalten, dass das Land, das sich eben erst von den Traumata der Pleiten und Affären halbwegs frei gemacht hat, jemals wieder derart selbstvergessen Hand an sich anlegen würde. Die gegen sich selbst gerichtete Rufschädigung hat etwas manisch Triebtäterhaftes.

Zur Entlastung der Bürger muss festgehalten werden, dass der Rückfall von der Politik, konkret von der Kärntner Volkspartei, einer autochthonen Minderheit, mutwillig und kopflos angezettelt worden ist. Und nicht von den Bürgern. So einfach und billig lassen sich diese nicht mehr zu den Blechschüsseln locken. Es ist ein Landfriedensbruch, den sie zu beklagen haben. Längst lebt das Land eine Normalität und Diversität, die überall sichtbar und spürbar ist.

Wer in Klagenfurt oder Villach an Wochenenden durch die Gassen oder Märkte spaziert, muss sich gegen ein dichtes, dreisprachiges Menschengewirr behaupten. Die Eishockeyvereine messen sich grenzüberschreitend, nicht minder leidenschaftlich die Unternehmen und ihre Beschäftigten. Die Ortstafeln im zweisprachigen Gebiet sind längst Selbstverständlichkeit geworden, als wäre nie um sie gerungen worden; in der Zeitung werden allwöchentlich die Premieren in Marburg, Laibach oder Triest beworben und in zweisprachigen Beilagen Bleiburgs Wiesenmarkt. Die früheren Anwälte des Trennenden sind heute vazierende Fürsprecher des Miteinander und die ganze Grenzregion: verschmolzen zu einer sinnlichen Genussoase, die den Kärntnern gar nicht guttut, ebenso wenig wie die eigene Schönheit, weil sie das Land davon abhält, sich neu aufzustellen, eine Idee von sich zu entwerfen und sich endlich in die Zukunft zu arbeiten.

Sich freiwillig zu neurotisieren und in den Kerker der Vergangenheit zu sperren, ist das Letzte, was sich das Land gestatten darf. Es soll sich hinsetzen und erwachsen festschreiben, was man ist: ein gefährlich schönes Land, das selbstbewusst und geschichtsbewusst auf zwei Sprachen verweist, auf eine erste und eine zweite. Die erste gilt landesweit, die zweite für jenen Landstrich, in dem man beide Sprachen spricht, lebt und lehrt, in Ämtern wie in Schulen. Und wo dort Kinder zweisprachig unterrichtet werden, wird man die Kenntnis der zweiten Sprache hoffentlich auch von jemandem verlangen dürfen, der dort Schulleiterin werden will und der ÖVP angehört. Wenn das der Auslöser für den Voodoo-Tanz war: dann gute Nacht.