Im Auswärtigen Amt in Berlin hat es eine selten erlebte Zeitenwende gegeben. Bislang waren die Töne aus dem diplomatischen Zentrum der deutschen Regierung in Richtung Ankara eher zurückhaltend, geduldig, kalmierend. Die scharfen Worte aus der türkischen Regierung wurden jeweils heruntergekühlt in der Hoffnung, die Heißläufer vom Bosporus kämen schon irgendwann zur Besinnung oder kehrten wenigstens zurück zu einer sachlichen Auseinandersetzung. Immerhin braucht man Präsident Recep Tayyip Erdoan und die Seinen ja auch für einen funktionierenden Flüchtlingsdeal mit der EU, von dem Deutschland am stärksten profitiert. Auch das strategische Potenzial der Neu-Osmanen für den vorderasiatischen Krisenraum führte man in Deutschland stets im Munde, wenn man denn fragte, warum man den autokratischen Tendenzen Erdoans nicht endlich etwas Handfestes entgegensetzt. Nicht zuletzt war auch die enorme Wirtschaftskraft eine gute Entschuldigung, die stetig steigernden Flegeleien zu erdulden und sich nicht einem Wettkampf der Provokationen auszusetzen.