London kommt nicht zur Ruhe. Jene, die in der am Puls lebenden Neun-Millionen-Metropole zeitig zu Bett gingen, erfuhren vom Anschlag bei Finsbury Park in den Morgenstunden. Das Prozedere war das schmerzhaft bekannte – wenn auch unter neuen Vorzeichen: Als Werkzeug diente zum dritten Mal in nur drei Monaten ein Fahrzeug: Ein Lieferwagen, dieses Mal aber von einem 47-Jährigen in eine Menschenmenge nahe einer Moschee gelenkt.

2016 starben in Europa insgesamt 142 Menschen bei Terrorangriffen, 135 davon durch jihadistische Attacken, so Europol. Angst macht sich breit, verrohtes Verbrechen fasste Fuß, wo man sich einst sicher wähnte. Jene, die in immer kürzeren Intervallen zur Tat schreiten, fanden genügend Schlupflöcher vor. Eine wirksame Antwort darauf ist ausständig, und sie wird es wohl auch lange bleiben.

Dass der feige Anschlag der Stunde offenbar auf Muslime im Alltag zielte und sich dabei eines Werkzeugs bediente, das einst der oberste IS-Sprecher Abu Mohammad al-Adnani propagiert hatte, läutet ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte der Angst ein. Der Syrer hatte seine einsamen und bis zur letzten Konsequenz radikalisierten Wölfe im Westen zu Angriffen mit Messern, Äxten oder Lkw aufgefordert. Er fand nicht zuletzt über das Internet eine Gefolgschaft, die irrsinnig genug war. Minimaler logistischer Aufwand, große Außenwirkung und hohe Effizienz – so die teuflische Rechnung, die in Europa wieder und wieder aufgeht.

Die Finsbury-Park-Moschee im Norden von London stand lange für ruchlose Radikalisierung: Der frühere Afghanistan-Kämpfer Abu Hamza vergiftete dort ab 1995 als Imam den Verstand vieler Anfälliger. Bis zur Festnahme skandierte er Verachtung gegenüber jedem, der sich nicht auf der blutroten Linie des Islamismus einreihte. Jener Ort, an dem einst Hass gepredigt wurde und sonst nichts mehr gedieh, wurde nun selbst zum Ziel von Hass. Berichte von Augenzeugen legen nahe, dass Islamophobie das Motiv für die Attacke war. Diese wiederum sucht sich ihren Nährstoff auch im "wachsenden Spektrum jihadistischer Aktivitäten", wie dies Europol nennt.

Am Abend wurden dem Angreifer offiziell die Vorbereitung von terroristischen Handlungen angelastet. Der grobe Keil, der zur Implosion der westlichen Gesellschaft führen soll, steckt immer tiefer. Eine Strategie der Terroristen ist eben dieses wechselseitige Instrumentalisieren: Hetze ist ein gefährlich universelles Prinzip. Ein Prinzip, dass nun weiter Fahrt aufzunehmen scheint.

Blinder Hass als Antrieb lenkt stets in Abgründe, egal wie die Koordinaten lauten. Jetzt von einer "neuen Qualität" des Terrors zu sprechen, weil sich das Angriffsziel umkehrte, ist verfehlt. Terror kann keine Gütestufen aufweisen. "Hass und Böses dieser Art werden niemals Erfolg haben": Die Worte der derzeit eher schlingernden britischen Premierministerin Theresa May hörte man vom Gefühl her schon bei zu viel zu vielen Anlassfällen in Europa. Auftrag müssen sie trotzdem bleiben.