Was in der Lebensmittel- und Energiebranche seit Jahren auf der Agenda steht, hat nun auch die Modebranche immer mehr im Griff - Nachhaltigkeit. Sowohl Baumwolle als auch Erdöl - Grundlage für Polyester - werden als Rohstoffe zunehmend knapper. Inzwischen verlangen auch die Konsumenten immer öfter nach Produkten mit guter Ökobilanz. Immer mehr Anbieter, darunter auch Global-Player wie Kunert, Levi's oder Hugo Boss, setzen auf die Verarbeitung von nachhaltigen sowie umweltschonenden Fasern, die zu langfristig haltbareren, biologisch vollständig abbaubaren, oder recycelbaren Kleidungsstücken verarbeitet werden. Auch Abfälle, wie beispielsweise alte Fischernetze, Rohmilch oder Ananasblätter, gewinnen an Bedeutung. (Expertentipps für den bewussten Kleiderkauf)


Piñatex, Leder aus Ananasblättern:
Dass es nachhaltige und obendrein günstigere Alternativen für die gegerbte Tierhaut gibt, beweist die Designerin Carmen Hijosa aus Spanien (ananas anam). Im Urlaub auf den Philippinen kam ihr die zündende Idee, Fasern aus Ananas-Blättern, die bei der Ernte ohnehin übrig bleiben, zu Schuhen und Taschen zu verarbeiten. In Zusammenarbeit mit dem Royal College of Art entwickelte sie das sogenannte "Fruchtleder" Piñatex. Beim Herstellungsverfahren des Seidengewebes bleibt außerdem Biomasse übrig. Diese könne zusätzlich zu Dünger oder Biogas verarbeitet werden. Erste Produkte aus dem nachhaltigen Alternativprodukt sind auf dem Markt erhältlich und auch die Schuhhersteller Puma und Camper haben bereits ein Paar Musterschuhe aus Piñatex gefertigt.

SeaCell, Viskose aus Meeresalgen:
Der smartfiber AG aus Deutschland ist es gelungen, auf Grundlage einer patentierten Technologie textile Fasern aus Meeresalgen und Zink herzustellen. Dabei werden Amino-oxide in Kombination mit Wasser dazu genutzt, Cellulose physikalisch aufzulösen. Die Algen für SeaCell™ werden aus isländischen Fjorden gewonnen. Sie sind zu 100 Prozent biologisch und besitzen verschiedenste Nährstoffe, die während der Verarbeitung nicht verloren gehen. Beim Tragen sondert die Kleidung diese an den Körper ab, was eine entzündungshemmende und entgiftende Wirkung verspricht. SeaCell-Kleidung wird daher auch als "Kleidung mit Anti-Aging-Effekt" bezeichnet. Das Verfahren wurde im Jahr 2010 mit dem Deutschen Innovationspreis ausgezeichnet. Im Handel erhältlich sind die Produkte unter anderem in einzelnen Unterwäschekollektionen von Hugo Boss oder Speidel.

Qmilk, Textilgarn aus Rohmilch:
Die Mikrobiologin und Designerin Anke Domaske aus Hannover schöpft eine Stofffaser aus Kasein, dem Hauptbestandteil der Milch, und entwirft damit stylische Kleidungsstücke. Der Stoff fühlt sich ähnlich soft und fließend an wie Seide, ist aber weitaus günstiger und obendrein nachhaltig. Statt Trinkmilch verwendet Anke Domaske Rohmilch-Abfälle, denn Kasein wird ohnehin aus saurer Milch extrahiert. Außerdem ist Qmilk umweltschonend und unbedenklich für die Gesundheit, denn die Produktion der Milchfaser kommt ohne zusätzliche Chemikalien aus. Seit 2014 wird Qmilk industriell produziert und Gerüchten zufolge herrscht eine hohe Nachfrage in der Mode-, aber auch Auto- und Möbelindustrie. 

TENCEL, Viskose aus Eukalyptusholz:
TENCEL ist eine Cellulosefaser aus Eukalyptusholz und gilt als einer der interessantesten Newcomer unter den nachhaltigen Textilfasern. Beim Eukalyptusanbau werden ausschließlich Böden bewirtschaftet, die sich nicht für den Anbau von Lebensmitteln eignen. Im Vergleich zum Baumwollanbau wird dabei 10-20 Mal weniger Wasser verbraucht. Gleichzeitig fällt die Ausbeute zehnmal höher aus. Außerdem können die Lösungsmittel, die bei der Herstellung zum Einsatz kommen, dem Produktionskreislauf anschließend wieder zugeführt werden, weshalb das Verfahren von der Europäischen Union mit dem "European Award for the Environment" ausgezeichnet wurde. Im Handel ist TENCEL-Kleidung unter anderem in der Kollektion von Hess Natur, aber auch bei Eddie Bauer, Tom Tailor und vielen weiteren Marken erhältlich.

ECONYL, 100% regeneriertes Nylongarn:
ECONYL ist ein Nylon-Garn aus 100 Prozent regenerierten Wertstoffen, entwickelt von der Aquafil-Gruppe aus Italien. Das ECONYL Regenerationssystem schafft aus Nylon in alten Teppichen, Textilabfällen oder Fischernetzen hochwertige Produkte, indem es Polyamid-6-Wertstoffe in primäre Rohstoffe für die industrielle Produktion verwandelt. Das Unternehmen engagiert sich außerdem für die Rückgewinnung von Geisternetzen aus dem Meer im Rahmen der Initiative "Healthy Seas, a journey from waste to wear." ECONYL ermöglicht nicht nur die Wiederverwertung von Abfällen, die ansonsten unser Ökosystem belasten würden, sondern auch ressourcensparend produziert und kann unendlich oft wiederverwertet werden. 2014 wurde die Marke mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Sonderkategorie "Ressourcen-Effizienz" ausgezeichnet. Im Handel ist ECONYL Garn inzwischen weit verbreitet. Zahlreiche bekannte Modehersteller wie Kunert, oder junge Unternehmen wie "Jan'n June", "Loud and Proud" und "Wood like Oceans", haben bereits Kollektionen mit dem 100 Prozent regenerierten Nylongarn herausgebracht.