Als wäre mitten in der berühmten Londoner Savile Row eine Zeitkapsel explodiert: Mehrere Dutzend in Tweed gewandete Damen und Herren protestierten im September 2014 gegen die Zeichen der Zeit: globale Gleichmacherei gegen alteingesessene Strukturen. In der Praxis schaute das so aus: Das kalifornische Gute-Laune-College-Mode-Label „Abercrombie and Fitch“ eröffnete just in jener Straße ein Geschäft, die seit Mitte des 18. Jahrhunderts als das Mekka der Herrenschneider gilt. Britisches Understatement in Reinkultur, das Camelot der Dandys. Frei nach dem Motto: Haltung kann man sich nicht kaufen, aber alles drumherum schon, war der Protest zwar zwecklos, aber das Echo enorm - die Chaps, sie hatten Eindruck hinterlassen.

Nichts anderes ist man in diesen Kreisen rund um den Briten Gustave Temple gewohnt: Seit 18 Jahren hält er mit dem Magazin „The Chap“ die Wertewelt der Dandys hoch - modisch wie moralisch. Der ideale Gentleman, er vereint die besten Eigenschaften einer Entwicklung, die Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Urvater aller Dandys beginnt: George Bryan Brummell. Modische Stilikone, die die einhüllende, quietschbunte Seidenhölle, in der der Mann damals steckte, in den Schrank verwies. Noch wichtiger als die Mode war, dass Brummell nicht adeliger Abstammung war, aber in höchsten Kreisen verkehrte. Seine Eintrittskarte: Haltung, Eleganz, Kultiviertheit.

Bild oben: Teilnehmer der Chap Olympiad

Eine Trias, die auch den Chaps von außerordentlicher Wichtigkeit ist, gleich wie der Umstand, dass weder Herkunft noch Geschlecht beim Chap eine Rolle spielen, denn in der Welt des Chaps gibt es ein weibliches Pendant - die Chapette. Das Manifest mit Augenzwinkern gilt also durchaus für beide Geschlechter: „Chaps leben nach ihren eigenen Regeln: Sie rauchen Pfeife, ziehen den Hut, trinken Cocktails, tragen Tweed, rebellieren gegen den Mainstream und vermeiden Sport.“ Letzteres hat es im Chap-Universum sogar zu einer eigenen Spezialdisziplin geschafft: der „Chap Olympiad“.
Es ist das Hochamt der sportlichen Unfähigkeit. „Ein Tag, an dem Verlierer und Unsportliche für einen Tag glänzen können - solange sie extrem gut angezogen sind“, so die Beschreibung des Wettbewerbs der Müßiggänger, der heuer am 15. Juli in den Bedford Square Gardens in London über den Rasen geht. Grundvoraussetzung: makellose Hose, gepflegte Haare, perfekt gebundene Krawatte. Sportliche Leistungsfähigkeit: unerwünscht.

Die Disziplinen für den gepflegten Lebensstil sind so ungewöhnlich wie ihre Teilnehmer: Lanzenstechen mit dem Schirm, eine Menschen-Champagnerpyramide der durstigen Dandys, Picknicks, Tanzen und das eine oder zweite oder dritte oder vierte Gläschen Gin heben. Aber bitte alles mit Stil, Humor und tadellosem Benehmen. Eine Grundregel im Habitat des Chaps, der davon ausgeht, „dass eine Gesellschaft ohne höfliches Benehmen und anständige Kopfbedeckung nah am Abgrund steht“.

Foto oben: Gustav Temple (rechts im Bild)

Dem Gegenüber trotz allem mit Respekt begegnen, das beherzigt der Dandy-Nachfahre auch im Umgang mit den Hipstern - wie Gustav Temple im Handbuch „How to be Chap“ schreibt. Zwar registriert man die Vorgänge mit gehobener Augenbraue, auch dass der Hipster sich gerne ein paar Dinge vom Chap „borgt“: „Den Schnurrbart, die Tweedjacke, den Filzhut - alles vermischt mit Skinny Jeans und Turnschuhen“. Zwar fühlt man sich ob der Anleihen bisweilen geschmeichelt, aber es hat doch alles seine Grenzen: „Der Hipster möge sich doch bitte lieber öfter die Haare kämmen und nicht den Bart.“ Die Welt, sie möge zugrunde gehen, aber wenn schon, dann bitte nobel.