Weit und breit Stille. Einzig unterbrochen vom lauten Atmen (der Kollege nennt es Schnaufen), dem Knirschen der Steine unter den Bergschuhen und dem abwechselnden Stockeinsatz. Schritt für Schritt geht es weiter. Der Blick richtet sich stets nach oben – bald haben wir das Gipfelkreuz des Schneibsteins erreicht: das erste Etappenziel unserer Wandertour durch Deutschlands einzigen Alpen-Nationalpark im Berchtesgadener Land.

„Die Kleine Reibn zählt neben der Schneibstein-Tour zu meinen Hausrunden“, sagt Nina Schlesener, Deutschlands jüngste staatlich geprüfte Bergführerin. Die 32-Jährige, die als Kind mit ihren Eltern auf eine Berghütte, dem Schneibsteinhaus, gezogen ist, erwandert mit uns ihre Heimat: Nummer 12 in ihrem Buch „Meine schönsten Touren rund um Berchtesgaden“. Ausgangspunkt ist das Carl-von-Stahl-Haus, das direkt an der Grenze zwischen Salzburg und Deutschland liegt.

Steinböcke entdeckt

Nahe dem Gipfelkreuz genießen wir die erste Pause und erleben den nächsten Höhepunkt: Drei Steinböcke – nur wenige Meter entfernt. „Nähert man sich den Steinböcken, darf man nicht flüstern“, sagt Nationalpark-Ranger Sepp Pfnür. „Dann glauben sie, wir sind Jäger und hauen ab.“ Das heißt? „Eine Wandergruppe soll sich normal laut unterhalten.“ Ein Steinbock soll hier einmal einen Journalisten attackiert haben, erzählt Pfnür und lacht. „Derzeit gibt es mit 196 Tieren den größten Steinbockbestand seit Zählbeginn“, ist Pfnür erfreut. Im Laufe der Wanderung sehen wir tatsächlich an die 30 Steinböcke, dazu unzählige Gämsen.

Mit Nationalpark-Ranger Sepp Pfnür auf der Spur der Steinböcke
Mit Nationalpark-Ranger Sepp Pfnür auf der Spur der Steinböcke © KLZ/Baumgartner

Über bizarre Karstformationen, Blumenwiesen und Latschenfelder gehen wir bergab Richtung Seeleinsee – unser zweiter Pausenstopp. Immer wieder bleibt man stehen, schaut sich um und genießt das Alpenpanorama inklusive Blick auf den berühmten Watzmann. Groß und mächtig ...

Wir gehen, jeder schweigend in den eigenen Gedanken verloren, unseres Weges. „Die Kleine Reibn zählt zu den größeren Unternehmungen im Hagengebirge“, unterbricht Nina Schlesener die Stille. 16 Wanderkilometer sind eine Herausforderung – körperlich und mental.

Enzianschnaps für den Geist

Belohnt werden wir nach fast zehn Stunden in den Wanderschuhen nicht nur mit sehenswerten Panoramen und Steinböcken, auch der Enzian blüht. Und das freut Hubert S. Ilsanker, der in der Brennhütte am Priesberg daraus Schnaps brennt. „Die Kräuter der Natur beleben wieder den Geist“, verspricht „Hubsi“. Er hat recht, die letzten Schritte der Tour gehen quasi wie von selbst.

Hubert „Hubsi“ S. Ilsanker brennt Enzianschnaps in der Brennhütte am Priesberg
Hubert „Hubsi“ S. Ilsanker brennt Enzianschnaps in der Brennhütte am Priesberg © KLZ/Baumgartner

Tags darauf genießen wir vergleichsweise ein Erholungsprogramm: Bei der Bootsüberfahrt am Königssee zur Halbinsel St. Bartholomä wartet das berühmte Echo auf uns. Ein paar Schritte Richtung Obersee werden wir auch gehen. Ich denke an Goethes Worte „Berge sind stille Meister und machen schweigsame Schüler“. Und lächle still.

Diese Reise wurde unterstützt von Berchtesgadener Land Tourismus.