Die Sonne steht im Zenit und schimmert auf dem spiegelglatten Wasser. Je weiter man seinen Blick hinaus auf den Ozean vor Polignano a Mare schweifen lässt, desto dunkler wird dessen Farbspektrum - von Hellgrün über Türkis bis Tiefblau. Die weißen bis eierschalenfarbenen Häuser in dem Städtchen rund 35 Kilometer südöstlich von Bari sind wie Vogelnester auf die 20 Meter hohen Kalkklippen gebettet. An der Promenade ist es ruhig, die Menschen lassen sich vom Panorama verzaubern.

Nur an einer Stelle wuselt es: bei der rund drei Meter hohen Bronzestatue von Domenico Modugno. Nicht umsonst sind die Einheimischen stolz auf den berühmtesten Sohn ihrer Stadt. Stammt doch aus der Feder des 1928 geborenen Sängers „Volare“: Unter dem Originaltitel „Nel blu dipinto di blu“ hat der Italiener in den 1950er-Jahren einen Hit gelandet, der um die Welt „flog“. Der Refrain ist steter Begleiter in den schmalen Gassen, aber bei der Chiesa Matrice verflüchtigt sich die Melodie. An einer Hausmauer nahe der Kirche lehnt ein Saxofonist. Unbekümmert von dem, was rundherum passiert, spielt der „Artista di Strada“ - und zieht die Zuhörer in seinen Bann.

Unten in den Buchten wiegen sich bunte Fischerboote sanft im Meer, während Jugendliche von den schroffen Felsen ins Wasser köpfeln. Klippenspringen hat in Polignano eine lange Tradition. Hier werden sogar internationale Klippenspringermeisterschaften ausgetragen. Wer sich nicht todesmutig in die Tiefe stürzen will, hat von den Dachterrassen und der Brücke Ponte di Polignano einen atemberaubenden Blick auf die 18.000-Einwohner-Stadt, der das Attribut „Perle der Adria“ zugeschrieben wird. Weniger Adrenalinstöße, dafür umso mehr Entspannung finden Besucher in den für die Region typischen Herbergen, den „Masserie“.

Diese herrschaftlichen Gutshöfe gehen auf die römischen „villae rusticae“ zurück. Viele der im 15. und 16. Jahrhundert errichteten Mauern und Wachtürme bestehen noch und vor 30 Jahren begann man, diese für Touristen umzubauen. In ihrer „Masseria Alchimia“ bietet Caroline Groszer nahe Fasano in zehn Apartments bis zu 20 Selbstversorgern eine Übernachtungsmöglichkeit der gehobenen Klasse - vom individuell gestalteten Bungalow bis zum Turmzimmer. Wie sehr Apulien einen fesseln kann, weiß die Mutter eines Sohnes aus eigener Erfahrung: „Ich bin als Touristin gekommen und habe mich auf Anhieb in die Gegend verliebt.“ Das war vor 17 Jahren.

Nur selten wird Außenstehenden Einblick in wahre Juwelen gewährt. Doch tut sich hinter den verzierten Holztüren an der lauten Hauptstraße in Fasano ein Paradies auf: Decken- und Wandfresken, dunkelrote Vorhänge aus Samt, heller Marmorboden, in dem sich die antiken Möbel spiegeln. Über eine mit Efeu bewachsene Steintreppe geht es umringt von duftenden Rosen in den Garten, der Dutzende Zitrusbäume beherbergt. „Es gibt viele Villen, aber jeder Palazzo ist einzigartig“, erzählt die Hausherrin. Im 19. Jahrhundert waren dort Pferdewagen untergestellt.

Einen Katzensprung entfernt liegt Alberobello, eine entzückende Kleinstadt, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählt. Die Trulli, meist runde, weiße Bauten mit Kegeldächern aus Stein, gibt es nur in diesem Teil Italiens. Schlendert man an den Souvenirläden, Restaurants und Ferienhäusern vorbei zur Kirche, fühlt man sich wie in ein anderes Jahrhundert versetzt.

Dieser Devise folgt auch Pietro Zito in Montegrosso. „Weil sich die Menschen immer weniger Zeit nehmen zum Genießen“, hat sich der Koch der Slow-Food-Küche verschrieben. Je später der Nachmittag, desto höher der Lärmpegel in seinem Lokal. Typisch italienisch, die Menschen sprechen über die Tische hinweg, gestikulieren, feiern. Ein Limoncello darf da nicht fehlen.

Nicht selten kommt es vor, dass Zito Gäste durch seinen drei Hektar großen Obst- und Gemüsegarten führt, erklärt, riechen und kosten lässt. Wie er bearbeiten viele Bauern Apuliens die rote, eisenreiche Erde per Hand. Der Garten ist seine Passion, dort und in der Küche verbringt er Stunden, damit andere (wieder) genießen können. Bei dem gewaltigen, 1000 Jahre alten Olivenbaum wird er melancholisch: „Das ist meine Welt.“

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