Man kann bedeutend unspektakulärer landen: Eine schmale Einflugschneise, darunter glitzernde Reisterrassen, vor uns liegt ein Tal wie aus dem Bilderbuch. Das passt gut zu Bhutan, dem kleinen Königreich zwischen China und Indien, das auf der internationalen Reiselandkarte noch eher selten auftaucht. Ein Kunststück in unserer vernetzten Welt.

Was einem sonst noch an Fakten unterkommt, passt gut in die Schublade „Es war einmal ein Königreich ...“: Der noch junge König, der eine Ähnlichkeit mit Elvis hat, sorgt sich mehr um das Bruttonationalglück seiner Einwohner denn um das Bruttonationalprodukt des Landes. Das Wappentier ist ein Drache und das Nationaltier ein Takin, besser bekannt als Rindergämse oder Gnuziege. Dass das legendäre Goldene Vlies, das die Argonauten, die Glücksritter der Antike, aus dem heiligen Hain des Gottes Ares klauten, ein Takin-Fell war, lässt sich nur schwer verifizieren. Der Rest allerdings, der ist ziemlich sicher richtig so.

Bhutan ist tatsächlich anders, das merkt man schon kurz nach der Landung: Yontien, unser Guide, ein Bhutaner, holt uns vom Flughafen ab. Gewandet im traditionellen „Gho“, einer Art gebundenem Kurzmantel mit weißen Manschetten und kniehohen Stutzen. Es ist noch nicht lange her, da war diese Tracht - Frauen tragen die knöchellange „Kira“ - für alle Pflicht. Mittlerweile darf auch westliche Kleidung getragen werden, doch viele Menschen in Jeans sieht man nicht.

Bhutan, seit 2008 eine konstitutionelle Monarchie, versucht den Spagat zwischen Tradition und Moderne. Es ist noch keine 60 Jahre her, dass sich das Land geöffnet hat. Geld gibt es erst seit 1974, davor gab es Tauschhandel. Ginge es nach Yontien, würde man auch heute noch sein Auslangen damit finden. Was sollte man hier auch kaufen, auf dem Weg von Paro in die Hauptstadt Thimphu? Ein malerisches Tal entlang zweier Flüsse, eingebettet in ein stattliches Bergpanorama, schattiert vom unendlichen Grün der Reisterrassen. Shoppingcenter? Fehlanzeige.

Bhutans Königspaar: Jigme Khesar Namgyal Wangchuck und Jetsun Pema
Bhutans Königspaar: Jigme Khesar Namgyal Wangchuck und Jetsun Pema © (c) AP (Kevin Frayer)

Dabei hat sich das Land in Rekordzeit modernisiert, aber nur dort, wo es notwendig erscheint. Fernsehen und Internet gibt es seit 1999, der Tourismus ist limitiert. Als wir in der Hauptstadt Thimphu ankommen, wird am Hauptplatz gerade der Geburtstag der Königin gefeiert - selbstverständlich in Tracht, aber das Geburtstagsständchen fällt zeitgemäß aus - es wird gerappt. Immerhin ist Königin Jetsun Pema auch erst 26.

Ein Hauch von Leben im Vergleich zu den alten, mächtigen Dzongs, die in Tal- und Berglagen thronen. Anderswo wären sie längst Museen, hier sind sie nach wie vor Klöster- und Verwaltungssitze. Hier wird gelebt, gefeiert und gebetet. Wer hier durchschlendert, bekommt eine Vorstellung davon, wie Tibet ohne chinesische Invasion geworden wäre. Das merkt man vor allem in den Klöstern, mehr als 2000 gibt es im ganzen Land. Kein Wunder, denn der Buddhismus ist keine Staatsreligion auf dem Papier, sondern fixer Bestandteil des Alltagslebens. Das zeigt allein schon der Festkalender des Landes: „Durchschnittlich jede Woche ein Fest“, wie Yontien erzählt. Nicht ohne Stolz, wohlgemerkt, denn bei den Festen in Bhutan geht es lautstark zu: Wilde Tänze, prächtige Masken und Kostüme - klingt schon wieder nach Bilderbuch. Dabei ist das Leben vieler der 750.000 Bhutaner alles andere als idyllisch, wie es die fantastische Landschaft vermuten lassen könnte. Viele Dörfer sind oft nur zu Fuß zu erreichen, im ländlichen Bereich liegt das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen bei rund 30 Euro im Monat. Vielfach ist der Alltag mehr ein Überlebenskampf.

Mächtig: Das Innere eines Dzongs
Mächtig: Das Innere eines Dzongs © ultramansk - Fotolia

Doch Bhutan geht hier einen anderen Weg, jenen des viel zitierten Bruttonationalglücks. Wichtig ist hier die Balance zwischen materiellen und spirituell-emotionalen Bedürfnissen. In Fünfjahresplänen wird das Glück der Bewohner in neun Lebensbereichen erhoben. Im Gegensatz zu den meisten Staaten ist das Glück seiner Bewohner für Bhutan eben keine rein individuelle Angelegenheit, sondern eine Staatspflicht. Wie der Umweltschutz übrigens auch, nur sind das im kleinen Königreich keine leeren Worthülsen, denn das Land ist das einzig klimaneutrale der Welt. Somit haben Aussagen, wie jene des Landwirtschafts- und Forstministers Yeshey Dorji eine andere Nachhaltigkeit: „Es gibt keine größere oder wichtigere Sache als diejenige, den Planeten für zukünftiges Leben zu sichern.“

Und apropos Nachhaltigkeit, das gilt auch für die Bewohner selbst, denn statt diverser Verbotstafeln sieht man am Straßenrand schon mal die eine oder andere Gebotstafel stehen - darunter auch folgende: „Time is the only thing we can't recycle“ („Zeit ist die einzige Sache, die sich nicht recyceln lässt“). Ein guter Hinweis in Richtung Glück.