Wo haben Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal und Felix Salten gelebt und gedichtet? Und wie haben sich Kaffeehaus, Prater und Sommerfrische in das Werk des "Jung-Wien", wie sich der literarische Männerzirkel ab etwa 1890 nannte, in das Werk der Autoren eingeschrieben? Eine auf elf Stationen aufgefächerte Schau versucht Antworten zu geben und lädt zur Spurensuche an wesentliche Schauplätze.

Auf die Beine gestellt wurde das Projekt vom Ludwig Boltzmann Institut bzw. dessen Institut für Geschichte und Theorie der Biographie, das seine Ergebnisse aus zwei Jahren Forschung präsentieren möchte. Im Fokus steht die Wirkung gewisser Orte auf das Schaffen der Schriftsteller - gewissermaßen eine topografische Sicht auf Leben und Werk. Das Kaffeehaus spielte dabei eine wichtige Rolle. Kein Zufall also, dass man die Station im Cafe Central in der Wiener Innenstadt für die Vorstellung des gesamten Ausstellungsparcours - die einzelnen Locations werden in den kommenden Wochen und Monaten gestaffelt bespielt - gewählt hat.

"Das Junge Wien hat sich hier getroffen", erklärte Institutsleiter Wilhelm Hemecker in einer Pressekonferenz. Wobei die Gruppe gewissermaßen notgedrungen erst zu "Centralisten" wurden. Ursprünglicher Treffpunkt war eigentlich das nahe gelegene Cafe Griensteidl. Dort fanden sich Ende des 19. Jahrhunderts u.a. Hermann Bahr, Schnitzler, Hofmannsthal und Salten zu einer losen Runde zusammen, die nach einer literarischen Moderne strebte. Mit der Schleifung des Griensteidls 1897 musste man sich ein neues "Wohnzimmer" suchen. Erklärt wird das alles per Schautafeln samt Fotografien im Innenhof des Lokals.

Am Projekt beteiligt: Wilhelm Hemecker (Ludwig Boltzmann Institut), Petra Piuk (Schriftstellerin) und Kay Fröhlich (Geschäftsführer Café Central)
Am Projekt beteiligt: Wilhelm Hemecker (Ludwig Boltzmann Institut), Petra Piuk (Schriftstellerin) und Kay Fröhlich (Geschäftsführer Café Central) © LBG/APA-Fotoservice/F.-Roßboth (Katharina F.-Ro�both)

Was war nun das Neue im Oeuvre der Jung-Wiener? Spezialisten werden schon im Titel der Stationen-Ausstellung einen Hinweis finden. "Natur plus X" paraphrasiert eine Formel der Naturalisten ("Natur minus X"), die die möglichst exakte Erfassung äußerer Wirklichkeit propagierten. "Hermann Bahr und seine Gefolgschaft wollte das überwinden: Weg von der realistischen Darstellung hin zu Innensichten, Gefühlen und Träumen", so Hemecker. Der Weg zur Psychoanalyse war naheliegend. Dem Einfluss Sigmund Freuds auf den Literatenzirkel wird im Freud Museum (ab 23. März) nachgegangen.

Weitere Kapitel führen etwa zum Akademischen Gymnasium (ab 15. März), wo einige Jung-Wiener die Schulbank drückten, ins Metro Kino (ab 12. April), wo eine Filmreihe und ein Kaiserpanorama mit Original-Stereobildern die Wirkung damals neuer optischer Verfahren erlebbar machen sollen, oder in das bereits bespielte Bezirksmuseum Leopoldstadt. Dort geht es um das Soziotop Prater mit seinen gesellschaftlichen Gegensätzen sowie erotischen wie exotischen Anstrichen. "Hofmannsthal hat sich dem eher aristokratischen Nobelprater rund um die Hauptallee nahe gefühlt, Schnitzler und Salten haben sich für die Figuren des (plebejischen, Anm.) Wurstelprater interessiert", erläuterte Co-Kurator David Österle im Gespräch mit der Austria Presse Agentur.

Allerdings: Nicht alle Orte, die eine zentrale Rolle für den Autorenkreis gespielt haben, existieren heute noch. Ein Beispiel dafür ist das Volkstheater Rudolfsheim, dessen Rolle im Bezirksmuseum des 15. Bezirks (ab 27. April) beleuchtet wird. Dort - und nicht etwa im Burgtheater - konnten die Jungschriftsteller experimentieren. "Sie hatten die Möglichkeit, richtig Gas zu geben", formuliert es Österle mit Verweis auf das provokative Potenzial Freier Bühnen jenseits des Linienwalls, also des heutigen Gürtels.

Eine einzige große Männerrunde

Sämtliche Teile des Ausstellungsprojekts, die großteils bei freiem Eintritt besucht werden können, sind naturgemäß in Wien angesiedelt - mit einer Ausnahme: Das Literaturarchiv in Salzburg (ab 27. Juli) reist mit dem Jungen Wien auf Sommerfrische. Schließlich waren die Autoren viel unterwegs und ließen Erfahrungen fernab der Stadt in ihre Texte einfließen.

Weibliche Proponenten sucht man selbst im erweiterten, bis zu 60 Personen umfassenden Kreis des Jung-Wien übrigens vergeblich. "Unglaublich männerlastig, das Ganze", resümierte Institutschef Hemecker. Unter den Vertretern finde sich nicht eine Frau.