Ausgerechnet Pfauen stolzieren hier durch die Gegend und schlagen ihre Räder. Ausgerechnet diese aufgeplusterten, angeberischen Viecher. Dabei geht es hier genau um das Gegenteil: darum, sich zurückzunehmen. Darum, sich selbst zu finden. Ohne Räder zu schlagen! Ohne große Eitelkeiten. Nun, es gibt schlimmere Orte, um diese Übung zu vollführen. Ich bin gerade im „Ananda in the Himalayas“ angekommen. Das muss ich Ihnen jetzt kurz beschreiben:

Dieses Wellness-Eiland schmiegt sich an die niedrigen Ausläufer des Himalaya. Die unaufdringlichen Bungalows schauen in die Ebene hinab, dort unten liegt die Stadt Rishikesh, übersetzt heißt das „Weiser“. Doch davon später, nur so viel: Schon die Beatles haben in den 60er-Jahren diesen Ort aufgesucht, um dort die Erleuchtung zu finden.

Apropos: Jetzt fährt gerade mein Chauffeur vor und bringt mich in mein Refugium. Die Balkontür sollte man schließen, ansonsten tummeln sich ungebetene Gäste der tierischen Art im Schlafzimmer, Affen zum Beispiel. Das Licht hier ist übrigens unbeschreiblich und die Stille - nun: Es ist schon sehr laut, wenn man gar nichts hört!

Das Wissen vom Leben

Das Anwesen ist feudal, die Gäste sind mitunter sehr exklusiv. Prinz Charles und Camilla haben hier schon residiert, auch diverse Hollywoodstars. Sagt man. Hinter vorgehaltener Hand. Denn es gehört zum guten Ton, dass man darüber nicht spricht.

Darüber kann man schon sprechen: Über die diversen Ayurveda-Behandlungen, die ich in den nächsten Tagen über mich ergehen lassen - darf. „Ayurveda“ kommt aus dem Sanskrit und bedeutet „Wissen vom Leben“. Die wissen schon, was sie hier tun.

Man ist ständig im Öl. Bitte nicht falsch verstehen. Kein Alkohol wird hier getrunken und die feste Nahrung ist auf den jeweiligen Ernährungstyp eingestellt. Mit „Öl“ sind natürlich jene wohlriechenden Flüssigkeiten und Essenzen gemeint, die fortan auf meinen Körper tröpfeln und fließen. Diese Behandlungsmethode ist uralt und soll den Körper wieder in Balance bringen. Mit einem spirituellen Ritual wird jede Behandlung begonnen, mit einem kurzen Mantra, mit Fußwaschungen fallweise. Das fühlt sich anfangs eigenartig an. Aber irgendwann, ohne dass man es groß bemerkt, tut sich dann etwas im Körper, im Kopf, im Geist und wohl auch in der Seele. Was auch immer diese Ölmenschen hier tun, es tut gut. Die Sinne werden wacher, der Körper wehrhafter und die Seele sagt: gut, weitermachen!

Ganz in Weiß. Ich in meinem Gwandl und auch der Yoga-Meister, der sich jetzt voll Anmut und Gelassenheit vor mich hinhockt. „Meister“, sage ich, „keine großartigen Verrenkungen bitte, mein Körper ächzt und kracht.“ Der Yoga-Meister lächelt milde. Und erklärt mir dann, dass Yoga im Kopf beginne und keine Gymnastikübung sei. Erst wenn der Geist zur Ruhe kommt, sei der Körper bereit. Ja, ja, denke ich mir. Und zwei Stunden später spüre ich, wie mein Geist sanft durch meinen Körper fließt und dieser nicht mehr gar so arg stöhnt wie zuvor. „Danke Ihnen“, Meister. Wieder lächelt er: „Danken Sie nicht mir, ich habe nichts getan!“ - „Wer dann?“ - „Sie selbst natürlich.“

Wo schon die Beatles waren

Er ist heilsam, dieser Aufenthalt im „Ananda in the Himalayas“, wenn man es zulässt. Vor allem: sich zulässt. Aber natürlich herrscht „dort oben“ der pure Luxus und „dort unten“, in den kleinen Weilern und Dörfern ist das „echte Indien“. Jenes Indien, das zwischen Hightech-Boom und Armut hin und her taumelt. Jenes Indien, das einerseits farbenprächtig ist, andererseits aschgrau.

Jetzt also Rishikesh, nur eine halbe Stunde Autofahrt vom „Ananda“ entfernt. Die 70.000-Einwohner-Stadt liegt am Ganges, der hier noch einigermaßen sauber durch die Schluchten fließt. Die engen Straßen sind von Souvenirständen gesäumt, am Fluss werden gerade Lichter in den heiligen Ganges gesetzt. Rishikesh ist aus vielerlei Gründen ein berühmter Ort: Pilgerstadt. Und in den 60er-Jahren haben hierorts, in den zahlreichen Aschrams, zahlreiche prominente Suchende Heil, Hilfe und was auch immer gesucht: Vor allem die Beatles waren in Rishikesh Stammgäste, auch Mike Love von den Beach Boys ist hier seiner Erleuchtung entgegengesurft, Donovan ebenso. Was daraus geworden ist, weiß die Musikgeschichte.

Ein Pfau stolziert jetzt durch das „Ananda“. Ooommm! Er schaut irgendwie pikiert.