Noch bevor der Ferienflieger aufsetzt, ist man zumindest schon musikalisch im Land aus Wald und Wasser – „Xaymaca“, wie das Taino-Volk seine Heimat im Karibischen Meer nannte. Mit dem lässigen Ohrwurm „Kingston Town“ in der Version von UB 40 oder mit einem der Hits von Bob Marley wie „No Woman, No Cry“ und „One Love“ im Ohr. Warmer Regen empfängt uns auf Jamaika, doch unsere Gastgeber lachen die Nässe in Sekundenschnelle weg: Das sei doch nur „liquid sunshine“, also flüssiger Sonnenschein.
Sind diese positive, gelassene Lebenseinstellung, das Ungezwungene und die Fröhlichkeit der Insel mit ihrer liberalen Drogenpolitik („Island of All Right“) also doch nicht bloß Klischees? Ja und nein. Natürlich kann man als Besucher bloß dem Rasta, Rum und Reggae frönen, doch das Eiland mit mehr als 3,5 Millionen Gästen pro Jahr ist zu groß, um es über einen Kamm zu scheren. Und gleichzeitig zu vielfältig, um für einen reinen Strand- und Badeurlaub den weiten Flug auf sich zu nehmen.

Weißer Sand

Natürlich gibt es wunderbare Plätze zum Seele-baumeln-Lassen und dabei den Puderzuckersand unter den Füßen zu spüren – ob sie nun Treasure Beach, Long Bay, Lime Cay, Discovery Bay (wo Kolumbus 1494 erstmals jamaikanischen Boden betreten hat) oder Negril’s Seven Mile (einer der Top-Ten-Strände der Welt) heißen. In der Frenchman’s Bucht, wo ein mangrovengesäumter Fluss auf wilde Meeresbrandung stößt und dieses Zusammentreffen für ein besonderes Badevergnügen sorgt, kann man sich weit, weit weg vom Alltag wie einst Brooke Shields und Christopher Atkins im Romantik-Klassiker „Die blaue Lagune“ fühlen – wie natürlich auch im namensgebenden „Blue Hole“ und seinen magischen Blautönen, ebenfalls unweit der überschaubaren Hafenstadt Port Antonio im malerischen Nordosten der Insel, die Hollywood-Legende Errol Flynn einst zum Tummelplatz der High Society gemacht hat. Doch Jamaika kann auch anders.

Typischer Strandabschnitt an einer der All-Inclusive-Hotelanlagen an der Nordküste
Typischer Strandabschnitt an einer der All-Inclusive-Hotelanlagen an der Nordküste © UDE


Wo es wummert: Einige Abschnitte bei den riesigen All-inclusive-Resorts von internationalen Hotelketten in Montego Bay und Ocho Rios wiederum werden das gesuchte Bild aus der Bacardi-Werbung vom Bilderbuchidyll nicht erfüllen: Dafür hätte es im Paradies schon längst einen Baustopp geben müssen. Hier kann es einem womöglich schnell zu laut werden und zu wenig naturbelassen sein.

Insel-Rundreise

Aber wie gesagt: Den Liegestuhl unter Kokospalmen muss man zwischendurch unbedingt verlassen – wobei gewisse Viertel in der Hauptstadt Kingston, die keine Vorzeigemetropole ist, für Touristen tabu sind (am besten also nur geführte Touren). Dort sollte man jedenfalls einen Besuch des Bob-Marley-Museums buchen, ob man nun ein großer Fan des „King of Reggae“ ist oder einfach seinen Einfluss auf andere Musiker schätzt. In seiner ehemaligen Residenz an der Hope Road wird die Verehrung für den Rebell auch 36 Jahre nach seinem Krebstod spürbar, auch die Einschusslöcher vom Attentat auf Marley und seine Frau Rita werden bei der einstündigen Tour durch das Haus gezeigt, die zugleich ein bisschen Geschichtsunterricht über die Politik des Landes bietet.Nicht versäumen darf man einen Ausflug zu den Dunn’s River Falls (nahe Ocho Rios), wo man mit Glück nicht zu den Bus-Stoßzeiten eintrifft (beladen mit Kreuzfahrern) und somit keine Völkerwanderung erlebt. Der Wasserfall im gleichnamigen Freizeitpark gilt nämlich als Hauptattraktion der Insel. Rund 300 Meter stürzt das kühle Nass über natürliche Terrassen in die Tiefe, wir konnten die Kaskaden in aller Ruhe erklimmen. Ein unvergessliches Vergnügen!

Da aus den dicht bewaldeten „Blauen Bergen“ eine der besten und teuersten Kaffeesorten der Welt kommt (auch Queen Elizabeth II. soll den Blue Mountain Coffee besonders schätzen), lohnt sich neben einer Wanderung in den Bergflanken mit ihren intensiven Farben auch der Besuch einer Kaffeeplantage, wo die Verkostung des Luxusgetränks dem Ritual einer Weinverkostung gleicht. Beliebt auf Jamaika sind freilich auch Rumfabrik-Touren.Nicht nur für James-Bond-Fans bietet sich das „Golden Eye“ als Refugium an. Mit voller Brieftasche kann man die Villa, in der 007-Schöpfer Ian Fleming wohnte und alle Bond-Abenteuer zu Papier brachte, mieten. Etwas günstiger sind die neu gebauten Bungalows und Cottages im feinen und zugleich lässig gestalteten Areal samt Privatstränden und Lagune. Das „Golden Eye“ an der Nordküste bietet sich auch als entspannender Abschluss einer Rundreise an.

Und wie kommt man mit der Mentalität der Rastafaris und Dreadlock-Boys unterwegs zurecht? Sie können durchaus etwas ruppig sein. „Jamaikanische Männer sind sture Machos“, lacht etwa unsere Köchin, während sie ein köstliches „jerk pork“ zubereitet – das scharf marinierte Nationalgericht. Man wagt es ja kaum zu erzählen, dass jede Villa der Goblin-Hill-Hotelanlage (ebenfalls im Nordosten) eine eigene Haushälterin hat. An manchen Orten ist Jamaika eben auch ein bisschen wie eine Reise in die Kolonialzeit.