"Kinder, kumts ins Haus! Der Kini is da!“ Menschenscheu war er und er liebte die Einsamkeit. Gesehen wollte er auch nicht werden, der bayerische König Ludwig II., wenn er mit dem Hofsonderzug in Rimsting am Chiemsee am Nachmittag ankam. Da wartete er in einem eigens für ihn errichteten Pavillon, bis die Dämmerung hereinbrach. Erst dann ging es per Kutsche an das Ufer in Breitbrunn, wo das Ruderboot „Auguste“ wartete. Bei Nacht und Nebel wurde der scheue „Kini“ auf die Herreninsel gerudert, wo er sich vom Fortschritt des Baus von Schloss Herrenchiemsee überzeugen wollte.

„Als König Ludwig 1873 die Herreninsel gekauft hat, da waren ihm die Einsamkeit und genügend Platz wichtig. Die Gegend des Chiemsees selbst hat er eigentlich nicht gemocht“, erzählt Marcus Spangenberg, Kunsthistoriker und Biograf von Ludwig II. Über den Märchenkönig, der laut Spangenberg vielmehr ein Baustellenkönig war, kennt dieser viele Anekdoten. „Wenn der König wüsste, dass Schloss Herrenchiemsee zu einem Touristenmagnet wurde und seit seinem Tod mehr als 35 Millionen Besucher durch seine Gemächer wandelten, würde er sich im Grabe umdrehen“, schmunzelt Spangenberg, der sich seit seinem zehnten Lebensjahr für das Leben des bekanntesten bayerischen Monarchen interessiert.

Mehr als eine Kopie von Versailles

König Ludwig war ein großer Bewunderer des französischen Sonnenkönigs und so ließ er auf der Herreninsel im Chiemsee eine Beinahe-Kopie von Schloss Versailles bauen. „Er suchte Königsgefühle, die er in Architektur umsetzte. Ludwig nahm sich die Freiheit, ein Vorbild zu nehmen und nach seinen Vorstellungen zu verändern. Was ihm an Versailles gefiel, wurde in Herrenchiemsee umgesetzt, meist jedoch größer, prächtiger und vor allem anders“, weiß der Regensburger.

Marcus Spangenberg, Biograf von Ludwig II.
Marcus Spangenberg, Biograf von Ludwig II. © Andrea Steiner

Die Baustelle faszinierte den König mehr als alles andere: Immer nachts wanderte er über die menschenleere Herreninsel, immer zur selben Uhrzeit wurden die Räume mit Tausenden Kerzen erleuchtet, damit er sich vom Baufortschritt überzeugen konnte. Gebaut wurde auf der Insel von 1878 (Grundsteinlegung) bis 1885. Bereits ein Jahr vor seinem Tod am 13. Juni 1886 war Ludwig II. pleite. In diesen sieben Jahren war der „Kini“ nur ein paar Mal auf der Herreninsel, geschlafen hat er in seinem Schloss überhaupt nur ein einziges Mal.

Wer war der König?

Ein stattlicher Mann jedenfalls, der 1,91 Meter groß war. Obwohl er in seiner Jugend ein sehr sportlicher Reiter und Schwimmer war, wog er bei seinem Tode 130 Kilogramm. Seine Schwäche für Süßes – Schneerahmtörtchen und Liköre – führten über die Jahre hinzu, dass er unter schrecklichen Zahnschmerzen litt. Hinzu kam eine Phobie vor Zahnärzten, sodass bei seinem Tode sein Gebiss mehr als nur lückenhaft war.

Er war ein Mann, der von vielen Zwängen geplagt war. So besuchte er viele Orte, darunter seine Berghütten, jedes Jahr am selben Tag. Er war aber auch ein überaus gebildeter Mann. So war Ludwig ein Experte für die Zeit der französischen Könige des 17. und 18. Jahrhunderts.
Diese und noch viele spannende Facetten des Märchenkönigs aus Bayern – dessen berühmtestes von ihm in Auftrag gegebenes Bauwerk das Schloss Neuschwanstein ist – werden anlässlich des 130. Todestags im Heimatmuseum in Prien am Chiemsee beleuchtet. 200 Exponate aus der Privatsammlung von Marcus Spangenberg sind hier noch bis zum 23. Oktober zu sehen.