Ta-Tuut, Tu-Ta-Tuuuut: Michele macht lautstark auf sein Gefährt aufmerksam und zaubert auch den allerletzten Funken Müdigkeit weg, den man zur frühmorgendlichen Stunde noch verspüren könnte. Es ist allerdings nicht sein südländisches Temperament, das den stets gut gelaunten Busfahrer dazu verleitet, rhythmisch auf die Hupe zu drücken. Und übrigens: Auf die Tube drücken, das würde die Strecke, sobald man die Ortstafel von Sorrent hinter sich gelassen hat, sowieso nicht zulassen. Entlang der "Costiera Amalfitana", die Giovanni Boccaccio dazu verleitete, von der "anmutigsten Gegend Italiens" zu schreiben und wo die Sirenen Odysseus verzauberten.

Kurven, Schluchten und Spitzkehren. Wie ein Kätzchen schmiegt sich die Straße an die Felsen, schlängelt sich in schwindelerregender Höhe dahin, passiert Ansichtskarten-Orte und wagt sich nur wenige Male zum Meer hinab. Wer diese Flut an Kurven, Schluchten und Spitzkehren unfallfrei passieren möchte, muss sich Gehör verschaffen und so Entgegenkommende warnen. Verkehrsregel "made in Amalfi" sozusagen. A propos Regeln: Ein falsch geparktes Auto, das dem Bus die Durchfahrt verwehrt? Unmöglich, das gibt's bei Michele nicht. Da heißt es: Ärmel hochkrempeln und mit Landsmann Mario die Benzinkutsche umheben. Da weiß man dann auch, warum das durchschnittliche Italo-Auto nicht über Limousinen-Ausmaße verfügt. "So funktioniert das bei uns", reibt sich Mario die Hände und schwingt sich mit einem schelmischen Grinsen wieder auf seinen Sitz.

Amalfi. Für sensible Mägen ist die schlangenhafte Fortbewegung eine Herausforderung. Da kommt ein Stopp in Amalfi zur rechten Zeit. Den unermesslichen Reichtum der einstigen Freien Seerepublik kann man nur noch erahnen. Die Einkommensquellen der Neuzeit: Gelb schimmernder Limoncello statt Edelsteingeschmeide, Muschelbastelei statt Elfenbeinkunstwerk, Pareo statt feinem Stoff. Und den kleinen rosefarbenen Leuchtturm zur Erinnerung bezahlt man in Euro - nicht in Tari. "Ja, wir Amalfitani hatten sogar unsere eigene Währung", erklärt der elegante Padrone in seinem kleinen Geschäft hinter dem Dom.

Blumige Inspirationsquelle. Ein noch schmalerer, noch kurvenreicherer Weg? Das geht nicht? Aber sicher! Und zwar auf der Strecke nach Ravello. 350 Meter thront der elegante Ort über dem Meer. Die meisten Besucher kommen wegen der Villa Rufolo - oder genauer gesagt wegen der Grünanlagen. Hier fand Richard Wagner die Inspiration zum zweiten Akt des "Parsifal" und "Klingsors Zaubergarten". Rot, Violett, Orange, Gelb, Weiß - in allen Farben blüht das Blumenmeer und konkurriert mit dem Blau des Golfs von Salerno. Kaum zu glauben, was mir Maria in dem kleinen Keramikgeschäft in der Via Roma steckt. "Signorina, stellen Sie sich das einmal vor, sie hat einfach die Vorhänge zugezogen und ihre DVDs ausgepackt." Wer die stolze Dame so enerviert? Scarlett Johansson in jungen Jahren, die sich während der Dreharbeiten zu "Good Woman" lieber in ihr Zimmer zurückzog, als den Ausblick zu genießen.