Es fehlt in kaum einer Handtasche und fast keinem Hosensack: Das Smartphone ist ein täglicher Begleiter, nur die Brieftasche hat einen ähnlich hohen Stellenwert. Noch.

Denn Smartphonehersteller, Finanzdienstleister, Onlineshops und App-Entwickler sehen die Zukunft zunehmend im mobilen Bezahlen. Das Smartphone soll die Geldbörse obsolet machen. Was nach Zukunftsmusik klingt, ist in China längst Realität. Nur wenige Chinesen haben Bargeld bei sich, Kreditkarten haben sich nie durchgesetzt. Die IT-Konzerne Alibaba und WeChat dominieren den Markt mit den Apps Alipay und WeChat Pay. Die Dienste sind so beliebt, dass sie nun in Europa starten. Die Zielgruppe: Touristen aus China, die keine Euros mit sich führen wollen.

Auch große Player am Smartphonemarkt versuchen, Kunden mit Bezahlsystemen zu locken. Google bietet Android Pay und konkurriert mit einer vergleichbaren App von Samsung. Apple setzt auf den eigenen Bezahldienst Apple Pay, mit dem Geld auch zwischen einzelnen Nutzern verschickt werden kann. Das Angebot ist in Österreich noch nicht verfügbar.

Bankomatkarte am Handy

Bezahlapps bieten auch heimische Banken: Es gibt quasi eine Bankomatkarte für das Handy. Voraussetzung: ein Gerät mit NFC-Funktion. Auch Österreichs größter Kreditkartenanbieter SIX Payment Services (Paylife) sondiert mit einem eigenen Angebot derzeit den Markt. Die NFC-Technologie an sich ist in Österreich inzwischen gut etabliert und bei über 80 Prozent der Bankomatkarten aktiviert.

Darüber hinaus gibt es Sticker oder kleine Chips, wie sie die Sparkassengruppe anbietet: „Die Möglichkeit, kontaktlos zu zahlen, wird vor allem für kleinere Beträge genutzt. Drei Viertel der Transaktionen betragen unter 25 Euro“, sagt Oliver Kröpfl, Leiter des Generalsekretariats der Steiermärkischen Sparkasse. Generell nehme das Zahlen am Handy zu. Daher arbeite die Erste Group weiter an eigenen Lösungen.

Unabhängig von Banken ist die App „Blue Code“. Das Programm wurde von einem Innsbrucker Start-up entwickelt und unterscheidet sich deutlich von Mitbewerbern. „Die Anonymität der Kunden liegt uns am Herzen“, erklärt Geschäftsführer Michael Suitner. „Wir wissen nichts über die Kunden, da wir nur die Schnittstelle zur Bank anbieten.“ Seit fünf Jahren gibt es Blue Code. Jeder mit österreichischem Bankkonto kann das Angebot nutzen.

Statt NFC-Technologie wird ein Strichcode verwendet. Um zu bezahlen, muss dieser an der Supermarktkasse eingescannt werden. Je nach Bank gibt es ein Wochenlimit zwischen 400 und 1100 Euro. 85 Prozent der Lebensmittelhändler akzeptieren Blue Code. „Wir expandieren. Seit Jahresbeginn gibt es uns in Deutschland“, sagt Suitner.

Zahlung Handy zu Handy

Nicht nur im Handel hält das Smartphone Einzug. Auch private Zahlungen laufen bald über das Handy. Ab Herbst bringen etwa Raiffeisen und Bank Austria entsprechende Produkte auf den Markt. Das Geld wird von Gerät zu Gerät gesendet, ohne IBAN oder BIC. Die Überweisungen werden im Hintergrund in Echtzeit erledigt. Dass das Smartphone die Brieftasche ganz ablösen wird, glaubt App-Entwickler Suitner dennoch nicht. „30 bis 40 Prozent der Bevölkerung sind am mobilen Bezahlen interessiert.“ Der Rest werde weiterhin auf Bankkarte und Bargeld setzen, so die Prognose. Tatsächlich ist Österreich bei der Bargeldnutzung europaweit im Spitzenfeld. Laut Studie hat jeder Österreicher im Schnitt 74 Euro eingesteckt.