Das wirkt sich auch auf die Art der verwendeten Sprache aus, erklärte der Wiener Sprachwissenschafter Manfred Glauninger. „Die Kommunikation ohne Zeitverzögerung führt auch zu einer gefühlten Nähe. Die Sprache wird mündlicher und damit auch dialektaler“, so Glauninger im Gespräch mit der APA. Das ist eines der Themen, die von morgen, Mittwoch, bis Samstag bei der 12. Bayerisch-Österreichischen Dialektologentagung in Wien diskutiert werden.

„Das ist ein Phänomen, das es bisher in dieser Form noch nicht gegeben hat“, meinte Glauninger, der am Institut für Corpuslinguistik und Texttechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und am Institut für Germanistik der Universität Wien arbeitet. Die schriftliche Kommunikation in den digitalen Medien weist sowohl vom Aufbau der Sätze, aber auch im Wortschatz deutliche umgangssprachliche Züge auf. „Die Menschen haben den Eindruck, dass sie miteinander sprechen und vergessen manchmal, dass sie eigentlich schreiben“, so der Wissenschafter.

Zudem befänden sich die Kommunikationspartner – vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter – in unendlichen Kommunikationsschleifen. „Wie auch in einem direkten Gespräch begrüßt und verabschiedet man sich gar nicht mehr, sondern reiht einfach Nachricht an Nachricht.“ Die Antwort kommt meist sofort. Schnelligkeit und Gleichzeitigkeit vermitteln Nähe und verleiten so zusätzlich zum Einsatz dialektnaher Formen. Denn auch die Konzeption der Texte ist eine ganz andere, auf schnelle Rezeption ausgerichtete.

„Dialekt ist für die meisten Österreicher immer noch die Sprachform der Nähe, die man im Umkreis von Familie und Freunden verwende“, erklärte Glauninger. Genau deshalb werde er in Werbung oder Medien auch ganz gezielt verwendet. Stellen einzelne Dialektwörter in professionellen Texten meist ein Ironiesignal dar, soll in der Werbung die Emotionalität und Regionalität des Dialektalen genutzt werden. „Oft ist das dann kein authentischer Dialekt mehr, sondern eine gehobene Umgangssprache mit dialektalem Einschlag.“ Beispiel dafür ist etwa eines der bekanntesten Fernsehwerbe-Schweinderl Österreichs, das dem Konsumenten Frische, Natur, Regionalität und biologischen Anbau vermitteln soll, dennoch in ganz Österreich gleichermaßen gut verstanden werden muss.

Besonders stark ist die Verwendung von Dialekt in SMS oder Facebook-Nachrichten im Westen Österreichs. „Es gibt beim Dialekt traditionell ein West-Ost-Gefälle“, meinte der Forscher. Während etwa in Tirol oder Vorarlberg Kinder und Jugendliche im Alltag meist noch durchgehend im Dialekt kommunizieren, ist das in Wien die Ausnahme. „Wiener Jugendliche bleiben möglichst nahe an der Hochsprache und verwenden nur einzelne dialektale Ausdrücke“, so Glauninger.

Einer der Gründe dafür sei die lange Stigmatisierung des Dialekts als Sprachform der Wiener Unterschicht. „Um sozialen Aufstieg zu ermöglichen und zu signalisieren, verzichtete man zunehmend auf Dialekt. Auch mit Kleinkindern wird möglichst hochsprachlich gesprochen.“ Die österreichische Hauptstadt ist allerdings auch das beste Beispiel für die Ambivalenz im Umgang mit Dialekt: Überall dort, wo Dialekt wenig mit der Realität zu tun hat – vom Wiener Lied bis zum Altwiener Cafehaus – ist eine romantisierte und idealisierte Form durchaus erwünscht und zugelassen. Nicht umsonst können Touristen geführt von der fiktiven Wiener Figur Edmund „Mundl“ Sackbauer einmal um den Ring fahren.

Spannend bleibt, wie sich die ständige Erreichbarkeit in Zukunft auf den Dialekt auswirken wird. „Früher gab es natürliche Sprachbarrieren wie etwa Gebirge“, schilderte Glauninger. Isolierte Dörfer oder Täler waren lange sprachlich völlig unbeeinflusst von anderen Sprachformen. Spätestens das Smartphone hat dem ein Ende gesetzt.